Nachschlag

■ Lieben Sie Hochschulorchester?

Musikhochschulorchester dienen nicht zuletzt der Vorbereitung junger Instrumentalisten auf spätere Berufspraxis. Daß in solcherlei Institutionen bereits, entsprechend der Programmpolitik eines Großteils der Profiorchester, zeitgenössische Musik rar ist, verwundert also kaum. Um so erfreulicher deshalb, daß sich das Symphonieorchester der HdK Berlin Donnerstag abend im hochschuleigenen Konzertsaal mit einem Programm präsentierte, das ausschließlich dem 20. Jahrhundert gewidmet war.

Zwar hatte man sich mit Igor Strawinskys „Danses concertantes“, Franz Schrekers Kammersymphonie und Hector Villa-Lobos „Bachiana Brasileira Nr. 5“ eher auf brave Kompositionen aus der ersten Hälfte des Jahrhunderts beschränkt, dafür aber sollte Witold Szaloneks „mutazioni“ aus dem Jahre 1966 entschädigen. Stravinskys Werk aus der Spätzeit seiner neoklassizistischen Phase eröffnete den Abend und kam unter der Leitung des Dirigenten Harry Lyth recht brav daher. Durch allzu verhaltene Tempi und der Romantik verhafteter Agogik blieben die eigentliche Prägnanz und der Biß des Stückes – nicht nur im Sinne der Persiflage harmonisch-melodischer Klischees, sondern auch der Gliederung in schroff aneinandergefügte Abschnitte – ziemlich auf der Strecke.

Dafür entschädigte aber die, nach einem kurzen, von Hartmut Fladt moderierten Gespräch mit dem Komponisten, folgende Komposition von Witold Szalonek „mutazioni“. Das in der Gestik einer klassischen Symphonie dreiteilig mit zurückgenommenem Mittelsatz und engagierteren Außensätzen angelegte Stück beginnt mit Mehrklängen in den Holzbläsern, die bereits auf die klangliche Kompositionsanlage des Werkes verweisen. Vielerlei ausgetüftelte Klangfeinheiten werden in oftmals solistischer Weise zu Gehör gebracht und kummulieren im letzten Satz zu gegeneinander gestellten oder sich auch überlagernden Klangblöcken der einzelnen Instrumentengruppen. Hervorragend und mit großem Engagement spielten vor allem die Holzbläser, wogegen besonders die Violinen leider etwas abfielen. Hassy Lyth setzte am Dirigierpult auf fein austarierte Klangbilder und die insistierende Wirkung andauernder monochromer Strukturen, die ihm vielleicht den einen oder anderen Abschnitt zu lang gerieten ließen. Insgesamt aber war's eine völlig überzeugende musikalische Interpretation, von der man sich eine Weiterentwicklung des Orchesters in Richtung zeitgenössische Musik sehr gut vorstellen kann und erhofft.

Daß im Publikum nervöse Lacher auftauchten und einige wenige gar demonstrativ den Saal verließen, verdeutlichte leider nur den Bildungsmangel in Sachen Neuer Musik in konservativ- akademischen Musikinstituten. Mag dieses Konzert also nicht zuletzt ein Anstoß sein, sich auch in der Berliner Musikhochschule nun endlich engagierter um komponierende Zeitgenossen zu kümmern; die renommierten Schulen in Freiburg oder Stuttgart haben die Notwendigkeit dazu längst erkannt. Fred Freytag