Zu laute Begeisterung

■ betr.: "Senegal: Sonnenstrom im Dorf", taz vom 18.1.93

betr.: „Senegal: Sonnenstrom im Dorf“ von Ralf Köpke,

taz vom 18.1.93

Als vor einer halben Generation (auch) in der Entwicklungsszene bei manchen der Optimismus ausbrach, die soziale Frage durch regenerative Energiequellen und den polit-ökonomischen Verteilungsstreit durch ökologisch angepaßte Technik gleich mit zu erledigen, hätte ich die etwas zu laute Begeisterung des taz-Autors über solare Elektrifizierung im Senegal vielleicht noch verstanden. Heute jedoch wissen wir (zum Teil auch bei der GTZ): Im tiefen Süden haben die Armen keine Kühe, um Biogas zu erzeugen. Windanlagen sind zu teuer. Und daß im ländlichen Senegal in absehbarer Zeit Devisen für auf private Kosten angeschaffte Photovoltaikanlagen bei 50 Prozent der Landbevölkerung vorhanden seien, ist wohl auch gröblich überschätzt.

Im vergleichsweise wohlhabenden Tunesien zum Beispiel würde nach GTZ-Berechnungen eine rein kommerzielle Verbreitung ähnlicher Anlagen weniger als zehn Prozent der ländlichen Bevölkerung erreichen. Wobei natürlich gerade die Zielgruppe einer armutsorientierten Entwicklungspolitik außen vor bleiben würde. Deswegen wurde dort für die Integration der solaren Lösung in das mit öffentlichen Mitteln(!) finanzierte ländliche Elektrifizierungsprogramm optiert.

Aber viel schwerwiegender – und da(!) liegt die energiebezogene deutsche Entwicklungshilfe derzeit vor allem im argen – ist die strukturelle Unterbewertung der tatsächlichen energetischen Grundversorgung(!) der Bevölkerung als vorrangige entwicklungspolitische Aufgabe in der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) bzw. bei ihrem Auftraggeber, dem Ministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ). Und die ist eben – Bundesliga hin, „Kicker“ her – in den meisten Ländern des armen Südens nicht elektrisch(!), sondern thermisch (Kochen und Backen) und wird solar (d.h. durch kleine Photovoltaik) bisher nicht bedient.

Entwicklungspolitisch sensibler und kritischer Journalismus sollte hier(!) nachhaken. Anschauungsmaterial für die alltägliche Wald- und Vegetationsvernichtung aus Energiegründen kann man übrigens auch im Senegal finden, schon wenn man auf der Rückfahrt nach Dakar auf die dort ständig vom ausgedörrten Lande in die Stadt hineinfahrenden und mit Holzkohle beladenen LKWs achtet.

Um eine ökologische und soziale Grundversorgung im Süden zu sichern, muß zuerst über Feuerholz substituierende Instrumente geredet werden. Dazu gehören außer angepaßter lokal herstellbarer Kleintechnik auch entwicklungspolitische Transferzahlungen vom Norden in den Süden, um dort – Sonne hin, Sonne her – Kerosin und Flaschengas fürs Kochen billig und für arme Land- und Stadtbevölkerung verfügbar zu machen. Darin steckt derzeit mehr entwicklungspolitische Brisanz als in elektro-solaren Versprechungen für den Süden, während gleichzeitig im Norden (zum Beispiel in Berlin) immer mehr statt weniger Autos fahren. Martin Schulte, Berlin