■ Drei Jahre Reformprozeß in Südafrika
: Realpolitische ANC-Kapitulation

Für Winnie Mandela bedeutet Südafrikas „neue Verschmelzung“ zwischen dem ANC und der weißen Minderheitsregierung nur, daß die Verhandlungsführung des ANC die „eigenen Interessen fördert und Not und Nöte der unterprivilegierten Massen übersieht“. Wer wie sie einst auf einer siebentägigen Spritztour nach New York 40.000 US-Dollar verpraßte, mag nicht gerade die geeignete Person für solch fundamentale Kritik sein. Und doch verwies Winnie Mandela auf jenes Dilemma, in dem der ANC mit seiner realpolitischen Wende drei Jahre nach der Reformrede von Staatspräsident de Klerk gefangen ist. Sicherlich wollen einige ANC-Unterhändler endlich Schreibtisch und Dienstwagen. Aber Verhandlung heißt nun eben Kompromiß, auch wenn dessen Rahmen maßgeblich von de Klerk bestimmt wird. Einzige Alternative hierzu wäre eine massivere, auch gesellschaftliche Konfrontation. Über 5.000 Menschen starben in den letzten drei Jahren. Der größte Teil fiel einer systematischen Destabilisierungsstrategie der Sicherheitskräfte zum Opfer. Südafrikas Militärs machten so nicht nur dem eigenen Staatspräsidenten, sondern auch dem ANC deutlich, wo ihre Grenzen des Reformprozesses liegen.

Das Land befindet sich zudem in der tiefsten Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Selbst wenn die Burendiktatur schließlich dem Druck eines zugespitzten Konflikts wie etwa Massenaktionen weichen müßte – das Ergebnis wäre einzig die Hinterlassenschaft eines maroden Staates. Die Zustände in anderen postkolonialen Ländern Afrikas haben viele ANCler während des Exils am eigenen Leib zu spüren bekommen. Mangels ausgebildeter schwarzer Fachkräfte wird auch zukünftig ohne die Weißen am Kap weder die Wirtschaft aus der Krise zu lenken noch eine effektive staatliche Verwaltung möglich sein.

So stellen die sich abzeichnenden Kompromisse in Südafrika tatsächlich ein Bündnis zwischen der institutionellen Macht und der der Wähler dar. Nelson Mandela ist kein Revolutionär, er führt eine Bewegung, die in der schwarzen „Mittelklasse“ verwurzelt ist. Und er will weiteres Blutvergießen vermeiden. Als im September die Soldaten des Homelands Ciskei in Bisho mit scharfer Munition auf Zehntausende von Demonstranten schossen, machten Südafrikas Sicherheitskräfte deutlich, das sie zu allem bereit und fähig sind, wenn der festgesetzte Rahmen für Veränderungen bedroht scheint. Willi Germund, Johannesburg