Frankreichs Sozis droht der Untergang

■ Enttäuschte Wähler wollen grünem Bündnis eine Chance geben/ Linke Regierung machte Öko-Parteien salonfähig

Paris (taz) – Der Pessimismus der französischen Sozialisten droht in Panik umzuschlagen. Sieben Wochen vor den Wahlen zur Nationalversammlung signalisieren Meinungsumfragen einen spektakulären Aufwärtstrend der beiden Öko-Parteien „Les Verts“ und „Generation Ecologie“ auf Kosten der PS. In einem Fall überflügelt das grüne Bündnis mit 19Prozent sogar die PS und liegt damit als zweite Kraft hinter dem konservativen Bündnis aus RPR und UDF. Bis zum 21. März „müssen wir alle zurückgewinnen, die sich enthalten wollen“, reagierte der PS-Abgeordnete Hollande auf die Nachricht, „andernfalls droht der Linken das Verschwinden.“

Die PS war lange Zeit überzeugt, die Umweltparteien würden sich früher oder später als natürliche Bündnispartner der Linken verstehen. Diese Fehleinschätzung begann 1988 mit der Ernennung des damals parteilosen Brice Lalonde zum Umweltminister. Er wurde populär und gründete mit Zustimmung der PS 1991 die „Generation Ecologie“ (GE). Zur Verblüffung seiner Mentoren war er aber nicht bereit, der PS Wähler aus dem Lager der Grünen zuzuführen. Nachdem er bei den Regionalwahlen im März 92 gut 7Prozent erzielt hatte, verabschiedete er sich mit lautem Krach aus der Regierung. Seither schießt er ununterbrochen auf die PS: „Ich glaube nicht mehr an die Ehrlichkeit der sozialistischen Führer, die uns doch nur versenken wollen“, warf er PS-Chef Fabius in einer Nachrichtensendung ins Gesicht. Dieser beschwor die alte Bindung und bettelte um ein Bündnis für den zweiten Wahlgang: „Du warst vier Jahre lang in der Regierung, wir haben sehr gut zusammengearbeitet und sollten das fortsetzen. Wir dutzen uns doch sonst, Brice, warum siezt du mich vor der Kamera?“ Doch auch per du ließ ihn der GE-Chef abblitzen: „Die Menschen, die ihr Herz links tragen, glauben dir nicht mehr, Laurent.“ Lalonde hofft, daß die Umweltpolitiker zusammen mit den siegessicheren Konservativen eine Regierung bilden – viele Grüne sind dazu bereit. Auch „Les Verts“ wurden von der PS ohne Gegenleistung aufgewertet. Im April 1992 hatten die Sozialisten der Partei um Antoine Waechter und Dominique Voynet zunächst die Regierungsbeteiligung, später 30 Wahlkreise angeboten, in denen sie keinen PS- Kandidaten aufstellen wollten. „Les Verts“ schlugen das Angebot aus, doch PS hatte demonstriert, daß sie die Grünen für vertrauenswürdig hält.

Die PS-Bitten um eine Allianz haben ihren Sinn. Infolge des Mehrheitswahlrechts würden beide, ecolos und die PS, von einem Zusammengehen im zweiten Wahlgang am 28. März enorm profitieren. Wer im ersten Wahlgang 12,5 Prozent der Stimmen erreicht, kann im Rennen bleiben. In Wahlkreisen, wo am 28. März drei PolitikerInnen (Konservative, SozialistInnen und UmweltpolitikerInnen) konkurrieren, dürften fast immer Konservative das Rennen machen. Selbst mit 19 Prozent könnten die ecolos womöglich nur mit 7 Sitzen in der Nationalversammlung rechnen, PS mit 110, Konservative mit 412 Sitzen. Durch ein Abkommen könnten beide erheblich dazugewinnen. Die Stunde der Wahrheit schlägt am Abend des ersten Wahlgangs, wenn die Umweltparteien von Fall zu Fall ein solches Bündnis beschließen werden. Für sie geht es um das Ausmaß des Erfolgs, für die PS ums Überleben. Bettina Kaps