: "Manhattan für Arme"
■ Anhörung zur Bürobebauung am Millerntor brachte grundlegende Kritik von Kiez und Könnern: Weg mit den Monsternplänen! / Kam der "Runde Tisch" mal wieder viel zu spät?
brachte grundlegende Kritik von Kiez und
Könnern: Weg mit den Monsterplänen! / Kam
der „Runde Tisch“ mal wieder viel zu spät?
„Es geht um St.Pauli!“ - mit diesem programmatischen Hinweis empfing am Samstagmorgen Stadtentwicklungschefin Traute Müller mehr als 300 Kiezfachleute im Vorlesungssaal des Museums für Hamburgische Geschichte. Angesagt war eine Diskussion zur städtebaulichen Gestaltung am Millerntor.
Was aber, so fragten sich viele Beteiligte, war der Zweck dieses Meetings? Handelte es sich, wie Teile des Kiez argwöhnten, um eine „Verarschungsshow“, mit der ein Spekulantenprojekt in den Stadtteil gedrückt werden sollte? Oder war es, wie Investor Horst Rahe vermutete, ein unsinniger Akt von Demokratie, der sein Investitionsprojekt unnötig verzögern, ja sogar kippen könnte?
Oberbaudirektor Egbert Kossak jedenfalls hatte sein Thema gleich dreifach, auf Dia, in feingedrechselten Holzmodellen und auf akkuraten Zeichnungen mitgebracht: Drei Varianten von Büroungetü(r)men, die, so Stadtentwicklungschefin Traute Müller, „die nächsten 100 Jahre“ der Welt, den Hamburgern und den Einwohnern von St.Pauli zeigen sollen, wo die Reeperbahn beginnt. Millerntorspekulant Rahe ist dabei ziemlich egal, welche Variante gebaut wird: Das Schlachtschiff mit drei fetten Kühltürmen, das Schlachtschiff mit kleinen Türmen und protziger Brücke oder eine himmelragende Hochhaus- Sense. Rahe interessiert nur eins: Es müssen 44000 Quadratmeter sein, weil er nur so den viel zu teuer gekauften Iduna-Komplex rentierlich machen kann. Der Investor ist angenervt, weil das von Ex- Stadtentwicklungssenator Wagner bereits abgesegnete fette Schlachtschiff nochmals überdacht wird.
Traute Müller räumte denn auch ein, eigentlich sei es schon zu spät. Soll heißen: Die Museumsrunde konnte eigentlich nur noch über die drei verschiedenen Betonvarianten debattieren. Dieser Vorgabe verweigerten sich aber die ExpertInnen ebenso wie die Kiezgäste zwischen 15 und 85. Egal ob es sich um Freunde einer schnuckeligen
1Lehmhüttensiedlung mit Park oder um Yuppies handelte, die hier die „Inszenierung einer städtischen Situation an einem internationalen Ort“ verwirklicht sehen wollen, alle fanden die vorliegenden Pläne und Konzepte zu häßlich, zu groß, zu bürolastig, zu verkehrserzeugend und zu gesichtslos.
Feststellungen, denen am Samstag keiner widersprach: Das Millerntor dürfe nicht eine mittelmäßige Verlängerung der Ost-West- Straße sein und die bauliche Allerwelts-Tristesse in Hamburgs eigentümlichsten Stadtteil verpflanzen. Regisseur Jürgen Roland warnte gar vor einem „Manhattan für Arme“.
1Und, so der Versammlungskonsens: Neue Büromassen an gerade dieser Stelle machten keinen Sinn. Hamburg hat schon heute viel zu viel davon. An diese Stelle solle Mischnutzung, die zum Stadtteil paßt. Yuppies träumten von einem multifunktionalen Glitzertor zur Vergnügungsmeile, Sozialarbeiter von Drogenschlafsaal, Bierschwemme und sozialem Wohnungsbau.
Fazit der Versammlung: Eigentlich sollte man dem Investor das Ding wegnehmen und noch einmal von vorn planen. Wie das dann laufen könnte, dafür bot das Museumsmeeting beeindruckende Hin-
1weise: Die Versammlung schäumte über vor Ideen, Vorschlägen und Konzepten. Ein sichtlich beeindruckter Stadtplaner: „Der Sachverstand und die Kreativität dieser Versammlung übersteigt bei weitem das, was beim bisherigen Planungsprozeß eine Rolle spielte.“ Traute Müller versprach dann auch, daß „wir alles sorgfältig auswerten werden“. Der Spielraum ist freilich gering: Der Investor soll, so hofft die Steb, noch einmal sein Nutzungskonzept überdenken, die St.Paulianer durch die Festlegung eines Sanierungsgebietes direkt hinterm Millerntor den drohenden Vertreibungsdruck mildern. Florian Marten
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