Vertrag mit dem Teufel

■ Charlie Harper in Bremen: Sein Publikum liebt den Altpunker — so, wie er war

„Na, willst Du Dir auch Oldies reinziehen?“ Die Frage des Lederjacken-Punks mit den grünen Haaren war ziemlich blöd. Erstens hatte er ja recht, aber zweitens war er schließlich selbst im Schlachthof, um den „UK Subs“ beim Abspielen ihrer Evergreens zuzuhören. „Die Subs sind ein Muß“, sagt ein Mitdreißiger neben mir, „zeig' mir mal 'ne andere Band, die seit fast 17 Jahren immer die gleichen Songs runterspulen. Das ist jedesmal wie Geburtstag feiern mit Charlie Harper.“ In der Tat. Charlie, er geht hart auf die 50 zu, hat es mittlerweile gar nicht mehr nötig, sich zu entwickeln. Sein Publikum liebt ihn, so wie er war, das machte sein Bremer Auftritt wieder deutlich. Viele sehr junge Leute jubelten dem Sänger mit den freundlichen Knopfaugen und dem unübersehbaren Bauchansatz zu. Der Londoner muß nach zwei Infarkten ein wenig kürzertreten, hampelt nicht mehr so exzessiv über die Bühne und macht schon nach einer halben Stunde seine erste Pause. Aber von der Ursprünglichkeit seiner einfachen Punksongs hat er nichts verloren. Seinem Gitarristen läßt er mehr Raum als früher, damals waren Soli verpönt, aber das Grundmuster der Musik ist immer gleich geblieben. Simple Riffs, gleichförmige Drums und Charlie, der eine Songline vorgibt, die der Rest dann nachgrölt. „Gute-Laune- Musik“ eben. Im Gespräch läßt er aber erkennen, daß er die Welt gar nicht so einfach sieht, wie es den Anschein haben könnte.

taz: Die „Toten Hosen“ haben kürzlich Cover-Versionen eurer Lieder veröffentlicht. Seid ihr nun endgültig in den Rang von Klassikern erhoben worden?

Charlie Harper: Wir fühlen uns bereits wie eine alte Blues-Band. Früher, als ich siebzehn war, habe ich gern die Rolling Stones gehört. Wenn ich dann mal Leute wie John Lee Hooker sah, wußte ich: Ah, da haben die Stones also ihre Ursprünge. Jetzt ist das mit den UK Subs auch schon so. Wir sind jetzt die Vorväter.

Apropos Vater. Du punkst Dich durch die Weltgeschichte, was macht Deine Familie?

Meine Frau ist in London und entwirft und vermarktet unsere T-Shirts. Meine beiden Söhne leben im Süden. Sie sind 21 und 23, einer ist Grundstücksmakler, der andere Disc-Jockey. Die beiden besuche ich ganz gern, das ist übrigens der einzige Urlaub, den ich mache. Die beiden sind in Ordnung. Ich glaube, die haben ihre Mutter von den Drogen losgekriegt.

Gehen dir manchmal die Song- Themen aus ?

Wenn wir in Amerika sind, mache ich einen Song über internationale Rüstungsgeschäfte. Bei uns in London wollen sie gerade ein hervorragendes Hospital schließen, wo auch viele Musiker mit ihren spezifischen Beschwerden behandelt werden. Du weißt schon. Da haben wir jetzt einen Song „Lydia“. Oder als wir Zagreb spielten, flogen uns bei einem Interview im Rundfunk Granatsplitter um die Ohren. Einer landete auf dem Kühlschrank neben uns. Das ist der Stoff, aus dem unsere Lieder sind.

Wenn du fast immer unterwegs bist, keinen Urlaub machst, was bleibt denn für dich selber übrig?

Oh, schwierig. Ich vermisse eine Menge liebgewonnene Dinge, je älter ich werde. In Klubs gehe ich viel weniger, das Biertrinken mußte ich wegen meiner Infarkte einschränken, und zu essen gibt's nur noch ganz gesunde Sachen. Darüberhinaus, die Kinder meiner Cousine, die ich sehr liebte, werden erwachsen, und ich habe davon nichts mitbekommen. Es scheint wohl so zu sein, daß man für Rock'n'Roll Opfer bringen muß. Sonst schaffst du es nicht. Du mußt für dich entscheiden, einen Vertrag mit dem Teufel zu machen. Alles oder nichts. Cool J.F.