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: Fall Limbach: Es geht um mehr als bloße Formulierungshilfen

Eines vorab: Selbstverständlich dürfen Verfassungsgerichtsurteile kritisiert werden. Das haben gerade wir Strafverteidiger beispielsweise an Entscheidungen zum Paragraphen 218 getan. Auch Frau Limbach darf dies. Solange sie allerdings (noch) Justizsenatorin ist, hat sie als Repräsentantin der Exekutive aus dem Verfassungsgrundsatz der Gewaltenteilung sich gegenüber der Judikative äußerst zurückzuhalten. Wissenschaftliche Kritik mag angehen. Richterschelte aber steht ihr in diesem Amt nicht zu. Jeglichen Anschein einer Einschüchterung oder Einflußnahme hat sie zu vermeiden.

Die Steuerung der Justiz durch „Richterbriefe“ im Dritten Reich ist der historische Grund dieser notwendigen Zurückhaltung. Was als Kritik des Generalstaatsanwaltes unter dem Briefkopf der Senatsjustizverwaltung veröffentlicht wurde, war aber Richterschelte. Mit Begriffen wie „geradezu absurd“ oder „nicht nachvollziehbar“ wurde der Verfassungsgerichtshof Berlin bedacht – nicht etwa die Strafanzeige der bayerischen CSU-Landtagsabgeordneten wegen Rechtsbeugung gegen eben diese Verfassungsrichter.

Sprach Frau Limbach zunächst abwiegelnd von „Formulierungshilfe“, die sie dem Generalstaatsanwalt gegeben haben wollte, so gab sie inzwischen vor dem Rechtsausschuß zu, daß ihr Staatssekretär und ihr Abteilungsleiter in ihrem Auftrag eine völlig neue Erklärung formuliert hatten, die nach ihrer Durchsicht dem Generalstaatsanwalt vorgelegt wurde.

Frau Limbach räumt selber ein, dies sei ein „Fehler“ gewesen, sie sei „Opfer ihrer lehrerhaften Art“ geworden. Die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen war damit weit überschritten.

Sie stellte sich aber nicht einmal schützend vor das höchste Berliner Gericht, als der Präsident des Bundesgerichtshofes in unmäßigem Übereifer deren Entscheidung ungeheuerlich nannte, obwohl er sie niemals gelesen hatte. Wenn der BGH-Präsident die Menschenwürde, das erste Grundrecht unserer Verfassung, damit abwertet, daß man „nicht alles und jedes“ in Urteilsgründe schreiben könne, hätte bereits die überragende Bedeutung dieses Grundrechts, für das in den letzten Wochen Hunderttausende demonstriert haben, eine Zurückweisung dieser Kritik durch Frau Limbach erfordert. Denn die grundgesetzlich geschützte Wahrung der richterlichen Unabhängigkeit gehört zu ihren vornehmsten Aufgaben.

Vor dem Parlament teilte Frau Limbach mit, sie kommentiere diesen Vorgang nicht, sie sehe „keinen rechtlichen Ansatzpunkt, dem Generalstaatsanwalt diese Stellungnahme zu verbieten“. Diese Antwort ist so wahr oder unwahr wie die Bezeichnung eines Autogrammwunsches als normale Postsache durch „Honeckers Richter“ Bräutigam. In der Tat: Sie hat nicht kommentiert, sondern formuliert. Und sie hat das Parlament irregeführt! Ihr unheiliger Übereifer trieb sie sogar dazu, einen Bruch der ärztlichen Schweigepflicht zu befördern, um einen neuen Haftbefehl gegen Honecker zu erwirken.

Nach Honeckers Anzeige wird sich damit die Staatsanwaltschaft zu befassen haben – der Bruch der ärztlichen Schweigepflicht ist nämlich strafbar. Aber der Generalstaatsanwalt wird sie schon nicht im Regen stehenlassen. Vielleicht leistet sie ihm ja bei der Einstellung des Verfahrens „Formulierungshilfe“. Hans-Joachim Ehrig

Der Autor ist Rechtsanwalt und Notar und war bis zur vergangenen Woche Vorsitzender der Vereinigung Berliner Strafverteidiger.