„Kein weltmeisterliches Schach“

■ Nigel Short gewann das Kandidatenfinale gegen Jan Timman und ist Herausforderer von Weltmeister Kasparow

Berlin (taz) – Nach einem farblosen Remis in der dreizehnten Partie am Samstag hat Nigel Short (27) das WM-Kandidatenfinale gegen Jan Timman (41) mit 7,5:5,5 gewonnen. Der Niederländer leistete trotz der weißen Steine wenig Gegenwehr. Short erklärte, er habe bereits nach zwanzig Zügen gewußt, daß er diese Partie nicht mehr verlieren würde. Bei einem einfachen Turm-Endspiel wurde der Punkt nach 39 Zügen geteilt.

Das Niveau des Kandidatenfinales sei nicht höher gewesen als bei Fischer–Spasski vor wenigen Wochen, sagte Vizeweltmeister Anatoli Karpow aus sicherer Distanz in Holland, wo er das Turnier von Wijk aan Zee gewann. Das sei ganz normal, lächelte Timman nur müde, als er Karpows Statement hörte. „Die Fehler der anderen sehen immer besonders schlimm aus, und für die eigenen findet man immer tausend gute Entschuldigungen.“ Artur Jusupow, der im Halbfinale gegen Timman ausgeschieden war, fand eine andere Erklärung: „In Zweikämpfen gibt es mehr grobe Fehler als im Turnierschach. Es sind die Nerven, denn es steht mehr auf dem Spiel.“

Langweilig war das Match in El Escorial jedoch auf keinen Fall. Das beste Beispiel ist die zwölfte Partie (siehe Kasten unten), bei der Timman im 38. Zug seine Chance, das Match auszugleichen, vergab und statt dessen entscheidend in Rückstand geriet.

Neben den Niederländern war eigentlich nur Organisator Luis Rentero über den Sieg des Engländers betrübt. In drei Wochen beginnt unter seiner Leitung das Turnier von Linares, und Short ist der einzige Weltklassespieler, der es gewagt hat, die Einladung Renteros auszuschlagen. Als Short eine der beiden Pressekonferenzen in El Escorial schwänzen wollte, drohte ihm der skurrile Andalusier voller Rachsucht 20.000 Franken Geldstrafe an.

Als der neue Herausforderer nach seinen Titelchancen gefragt wurde, zitierte Short nur Ex-Weltmeister Michail Botwinnik, der vor dem Kandidatenfinale gesagt hatte: „Short könnte Kasparow gefährlich werden, denn er macht sehr viele unerwartete Züge.“ Artur Jusupow sieht das nüchterner: „Shorts Chance ist gering. Er spielt einfach kein weltmeisterliches Schach. Aber manchmal eben phantastische Züge. Und wenn er das stabilisieren kann, hat er eine kleine Chance.“ Stefan Löffler