Unterm Strich

Dieter Schulze faxt wieder. In seiner eigentümlichen Prosa – Kombination von Schachtelsatz, Behördenkürzeln und Zitaten ohne Quellenangabe – möchte Schulze „aufklärend den Behauptungen, u.a. des Heiner Müller und der Christa Wolf, widersprechen, daß ich die DDR wegen drohendem ,Zuchthaus‘ verlassen mußte.“ Laut Akten, schreibt Schulze, „sowie anderer Protokolle und Berichte, war in der maßgeblichen Zeit (81–83) juristisch nicht die Möglichkeit eingeräumt worden, mich in einem ,Zuchthaus‘ einzusperren.“ Seine Ausweisung (am 11.Juli 1983) sei (Schulze nennt auch hier die Quelle nicht, die er zitiert) „,im Rahmen zentraler Maßnahmen des Sekretariats des ZK der SED‘“ erfolgt, also eine politisch verbürgte Entscheidung gewesen, und von der Staatssicherheit „aus ,politisch-operativen Gründen, gemäß dem Befehl Nr. 6/77 des Genossen Ministers‘“ durchgeführt, „,unter Anwendung der geheimen Verschlußsache zum Umgang mit kritischen Autoren vom 17.12.1981, unterzeichnet vom stellv. Minister für Staatssicherheit Mittig (...)‘“. Dieter Schulzes neuer Vorwurf gegen seinen Über-Dichter-Vater Müller: „(...) und in dieser ,sehr gehobenen Machtstruktur‘ will Heiner Müller mit ,Kultur-Offizieren‘ billig geredet haben, wie irrwitzig!“ Es geht aus dem Schreiben nicht hervor, ob Schulze Müller den Kontakt auf der Ebene, auf der Schulzes Fall verhandelt wurde, nicht zutraut, oder ob er ein Gespräch mit unteren Chargen der Stasi-Bürokratie für sinnlos erklären möchte, also quasi als „Verrat“ (Schulze) ohne gute Absichten oder guten Zweck brandmarkt.

Ferner behauptet der nun endlich regelmäßig veröffentlichende Dichter aus der Grünberger Straße, „daß der ,Herr Müller‘ die sogenannten gestrichenen Stellen seiner Autobiographie ,nachgeschrieben‘“ habe und unterstellt Müller eine beabsichtigte „,versteckte Erpressung‘“ wichtiger Leute, denen Müller „im bekannten Strickmuster von Spitzelberichten eines IM“ Schaden zufügen könne. Schulze schließt mit einem Reim, wobei nicht klar wird, ob er auf sich selbst oder auf Müller zielt, wenn er schreibt: „So sagte auch jemand: ,nun zittern alle vor dem König der Denunzianten‘ ja – den alle kannten... “. (Fettdruck von uns, der taz.)

Christoph Hein hat im Zusammenhang mit den jüngsten Stasi-Vorwürfen gegen Christa Wolf und Heiner Müller auf die zum Teil sehr unterschiedlichen Biographien der Menschen in der früheren DDR verwiesen. So werde in der jetzigen Diskussion zum Beispiel ausgeblendet, daß es in der Biographie von Christa Wolf „viel radikalere Brüche gab als beispielsweise in meiner“, meinte Hein in einem Interview mit der Berliner Wochenzeitung Freitag. Die Vorstellung, daß Müller als IM gearbeitet habe, halte er „für lächerlich“, betonte Hein. Daß Christa Wolf „vor 30 Jahren nicht die Kraft hatte, zwei Stasi-Leute hinauszuwer-

fen“, passe in das gegenwärtige „Zeitgeistgefasel“, das unterschiedliche Lebenswege nicht berücksichtige. Seine eigene, „gewisse oppositionelle Entfernung“, so Hein, sei aber weniger sein Verdienst als seiner Herkunft aus einem Pfarrhaushalt geschuldet. „Hätte meine Wiege anderswo gestanden, wäre ich vielleicht Stalinist geworden.“ Christa Wolf meinte unterdessen in einem Gespräch mit der Berliner Wochenpost, sie sei sich sicher gewesen, „daß es über mich keinen Hinweis auf irgendeine Verbindung mit der Stasi geben könnte“. Dies sei „ein klassischer Vorgang von Verdrängung“. Die Tatsache, daß ihre Stasi-Geschichte jetzt bekannt ist, sei für sie eine Erleichterung.

Der frühere DEFA-Regisseur Frank Beyer („Spur der Steine“) wird Jury-Vorsitzender der Internationalen Filmfestspiele in Berlin sein (11.–22.Februar). Weitere Regisseure in der elf Mitglieder zählenden Jury sind nach Angaben der Berliner Festspiele GmbH der Spanier Juan Antonio Bardem und der Chinese Zhang Yimou. Yimou war 1988 mit seinem Film „Das rote Kornfeld“ der Überraschungssieger von Berlin und erhielt 1992 in Venedig den Goldenen Löwen für „The Story of Quuju“. Die Jury hat über die Vergabe des Goldenen und der Silbernen Bären sowie des neugeschaffenen Preises „Der Blaue Engel“ zu entscheiden. Ferner sind drei Schauspielerinnen in dem Gremium vertreten: Krystyna Janda aus Polen, die Holländerin Johanna ter Steege sowie die Schriftstellerin, Schauspielerin und Lehrerin Susan Strasberg aus den USA, Tochter des Mitbegründers der Actor Studios, Lee Strasberg. Der schwarze Schauspieler Brock Peters wurde ebenfalls in die Jury berufen. Er ist Mitbegründer des „Dance Theatre of Harlem“. Andere Mitglieder sind die Schwedin Katinka Farago, die als Produzentin und Autorin zum engeren Mitarbeiterkreis Ingmar Bergmans zählt sowie der russische Eisenstein-Spezialist Naum I. Klejman, seit 1961 Mitarbeiter der sowjetischen Kinemathek. Er ist Gründer und Leiter des Moskauer Filmmuseums und leitete 1974/75 die vollständige Rekonstruktion des Films „Panzerkreuzer Potemkin“.

Harald Juhnke hat für seine „herausragende komödiantische Leistung“ in dem Film „Schtonk“ von Helmut Dietl den Ernst-Lubitsch-Preis erhalten. Der Club der Filmjournalisten Berlin würdigte den Schauspieler und Entertainer am Freitag abend in der Hauptstadt mit der Auszeichnung in Form einer Pan- Statuette. Juhnke nahm die Auszeichnung mit großer Freude entgegen und sagte: „Ich bin gerade auf diesen Preis sehr stolz, weil er von Kritikern vergeben wird.“ Der Ernst-Lubitsch-Preis wurde 1957 zur Erinnerung an den aus Berlin stammenden Regisseur („Sein oder Nichtsein“, „Ninotschka“) gestiftet. Zu den Trägern der Auszeichnung gehören Heinz Rühmann, Mario Adorf und Manfred Krug.