■ Die Genfer Verhandlungen sind gescheitert
: Am Weltsicherheitsrat vorbei

Daß die Genfer Verhandlungen scheitern würden, war ja schon mehrmals prognostiziert worden. Und daß sie nur den Rahmen dafür abgaben, der serbischen Seite einen Zeitgewinn zu verschaffen, mußte ebenfalls beklagt werden. Denn die serbischen Nationalisten fordern nach wie vor die Anerkennung des erkämpften Korridors von Serbien nach den serbisch dominierten nordwestlichen Gebieten Bosniens und damit die Möglichkeit, diese Gebiete an Serbien anzuschließen. Auch die bosnische Regierung konnte der Verhandlungsposition der EG- und UNO-Unterhändler Vance und Owen nicht zustimmen. Ihr Argument, man könne keinen Frieden schaffen, indem man den Nationalisten entgegenkomme, ist nur zu gerechtfertigt. Die von Serben begangenen Verbrechen würden bei Annahme des Planes legitimiert. Die im Plan enthaltene Schaffung von ethnisch dominierten Regionen hat sogar die Spannungen zwischen den bisherigen Bündnispartnern angeheizt. Die Kämpfe zwischen Kroaten und Bosniern in der letzten Woche resultierten aus dem Drang der kroatischen Seite, die völlige Kontrolle in den „ihr zugesprochenen“ Regionen zu übernehmen.

Der Plan ist also nicht nur an der Unversöhnlichkeit der Kontrahenten in Bosnien selbst, sondern auch aufgrund der in ihm enthaltenen politischen Konzeption der ethnischen Territorien gescheitert. Diese Konzeption wiederum bildete schon im März 1992 eine der Grundlagen für die diplomatische An-

erkennung Bosnien-Herzegowinas, die ja dann am

6. und 7. April erfolgte. Es ist keineswegs leichtfertig, zu behaupten, daß die internationale Politik gegenüber Bosnien-Herzegowina den Krieg mitzuverantworten hat. Anstatt der Republik Bosnien-Herzegowina Rückendeckung im Zuge der diplomatischen Anerkennung zu geben — so hätten doch schon

vorher UNO-Truppen dort stationiert werden kön-

nen —, kam die bis heute benutzte politische Konzeption der Gedankenwelt der Nationalisten entgegen.

Nichts von dem, was seither geschehen ist, kann wiedergutgemacht werden. Doch noch ist es möglich, das Ruder herumzureißen. Angesichts der dramatischen Lage der nicht nur von serbischen, sondern nun auch von kroatischen Nationalisten bekämpften über zwei Millionen Bosnier ist Tatenlosigkeit gleichzusetzen mit der Verantwortung für den Fortgang des Völkermords. Das Argument, im Weltsicherheitsrat würde angesichts der russischen Sympathien für Serbien ein Veto gegen ein (auch) militärisches Vorgehen zur Rettung der Bosnier eingelegt werden, darf nicht zur Verzögerungstaktik werden. Westeuropa und die USA könnten eine solche Aktion auch allein tragen – wenn es sein muß, am Weltsicherheitsrat vorbei. Erich Rathfelder