Zaires Diktator im Überlebenskampf

Um einer Militärintervention zuvorzukommen, läßt Präsident Mobutu Hunderte von Europäern auf seiner Privatjacht evakuieren/ Plünderungen greifen auf Angola über  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Noch nie war der seit 28 Jahren regierende Präsident Zaires, Mobutu Sese Seko, international so isoliert wie heute. Seitdem Soldaten der zairischen Armee am Donnerstag begannen, mordend und plündernd durch die Hauptstadt Kinshasa zu ziehen, wobei über 100 Zivilisten und auch der französische Botschafter tot auf der Strecke blieben, haben sich Mobutus frühere Schutzmächte Belgien und die USA klar und öffentlich von ihm distanziert. Anders als bei der letzten großen Plünderungswelle im Herbst 1991, als die Entsendung von französischen und belgischen Truppen letztendlich zur Stützung des Diktators beitrug, hätte Mobutu von einer größeren Militärintervention diesmal wenig Gutes zu erwarten. So tut er jetzt alles, um mögliche Interventionsanlässe aus der Welt zu schaffen.

Am Samstag stellte Mobutu seine Privatjacht „Kamanyola“, die ihm sonst als sichere Residenz auf dem Zaire-Fluß außerhalb der Hauptstadt dient, zur Evakuierung von etwa 400 Belgiern aus Kinshasa zur Verfügung. Die Belgier trafen am Samstag abend in der Hauptstadt Brazzaville des Nachbarstaates Kongo, auf dem anderen Flußufer ein, wo am gleichen Tag 330 belgische Soldaten gelandet waren. Gleichzeitig sorgte Mobutus Präsidialgarde in Kinshasa dafür, daß die massiven Plünderungen durch einfache Soldaten ein Ende nahmen, und stellte somit die „Ruhe“ wieder her.

Die Gewaltakte, die davor nach Aussage eines Geschäftsmannes „völlig unglaubliche“ Ausmaße angenommen hatten, könnten jedoch jederzeit wieder auflodern, warnte der belgische Außenminister Willy Claes in Brüssel. Belgische Nonnen seien vergewaltigt worden, weitere Angriffe der Mobutu-treuen Truppen seien zu befürchten. „Um keine unnötige Konfrontation zu riskieren“, würden die belgischen Soldaten vorerst in Brazzaville bleiben. Zuvor hatte Mobutu sich gegen ein belgisches Eingreifen verwahrt.

Belgien verbleibt somit in Abwartehaltung, wie auch Frankreich. Mit Mobutus Einverständnis hatte Paris zunächst zehn Soldaten zur Wachverstärkung vor seine Botschaft in Kinshasa entsandt – wo der Pariser Botschafter am Donnerstag abend nach französischen Regierungsangaben nicht, wie ursprünglich angenommen, von einer verirrten Kugel, sondern von einer gezielten „Maschinengewehrsalve“ getötet wurde. Gestern landeten 60 weitere französische Militärs gegen den anfänglichen Widerstand der zairischen Behörden in Kinshasa; zusätzliche Einheiten sind noch in Brazzaville stationiert.

USA fordern Entmachtung Mobutus

Politisch am deutlichsten äußert sich Washington. Die USA unterstützen nun klar den größten Rivalen Mobutus, den seit August 1992 amtierenden Ministerpräsidenten aus den Reihen der Opposition, Etienne Tshisekedi. Die US-Botschafterin Melissa Wells habe Mobutu am 14. Januar aufgefordert, Tshisekedis Interimsregierung volle Machtbefugnisse zu übertragen, sagte US-Außenamtssprecher Richard Boucher am Wochenende: „Die Situation, die sich ergeben hat, ist das Ergebnis von Mobutus Weigerung, zusammenzuarbeiten und der Übergangsregierung die Macht zu übertragen“.

Tshisekedi bleibt jedoch für Mobutu ein rotes Tuch. Seit seinem Amtsantritt hat der Ministerpräsident die Regierungsgewalt nie voll ausüben können. Mobutu hat mittels der ihm ergebenen Präsidialgarde die Arbeit des Übergangsparlamentes behindert und sich militärisch die Kontrolle über die Zentralbank gesichert – was dazu geführt hat, daß in Zaire heute mindestens zwei Versionen der Nationalwährung kursieren, eine von der Regierung anerkannte und eine, die Mobutu drucken läßt und mit der er die einfachen Soldaten bezahlt. In der Weigerung vieler Kaufleute, die Mobutu-Geldscheine anzuerkennen, liegt auch die Ursache für die Plünderungen, die Anfang Oktober mit der Verwüstung der östlichen Stadt Mbuji-Mayi durch Soldaten begannen und nun Kinshasa erreicht haben. Es ist bewußte Strategie – die Präsidialgarde wird von Mobutu in Tshisekedi-Geldscheinen bezahlt. Das Tauziehen um die Macht über die Notenpresse treibt Zaire in den Ruin. Trotzdem gedenkt Mobutu so weiterzumachen: In einem „Erlaß“ annullierte er am Freitag eine Verfügung der Tshisekedi-Regierung, wonach das Mobutu-Geld eingezogen werden solle. Tausende von Anhängern Tshisekedis demonstrierten am Samstag in Kinshasa gegen die Gewalt des Militärs.

Die Gewaltwelle hat wohl noch nicht ihr Ende gefunden. Gestern kam der Sohn des Oppositionspolitikers Frederic Kibassa Maliba ums Leben, als Mobutu-treue Soldaten im Morgengrauen sein Haus angriffen. Das Haus von Außenminister Pierre Lungi wurde nach Angaben der zairischen Menschenrechtsliga in Brand gesteckt. „Wenn keine ausländische Intervention kommt, wird es hier ein Massaker geben“, sagte der Präsident der Liga, Huane Kabue. Die Plünderungen drohen sich derweil aus Kinshasa nach Westen zu verlagern und damit in Verquickung mit dem Bürgerkrieg in Angola zu geraten. Am Wochenende wurde gemeldet, Zairer seien dabei, den Zaire-Fluß bis an seine Mündung hinunterzureisen, wo auf der Nordseite die ölreiche, zu Angola gehörende und von den dortigen Regierungstruppen kontrollierte Enklave Cabinda liegt und im Süden die Ölstadt Soyo, die vor zwei Wochen von den Rebellen der „Unita“ eingenommen wurde. Im „Unita“-Territorium um Soyo hätten Zairer mit dem Plündern der Ölfördereinrichtungen begonnen, hieß es. Die „Unita“ wird nach angolanischer Regierungsdarstellung von 2.000 Mobutu-treuen zairischen Soldaten unterstützt und finanziert sich unter anderem auch durch den Schmuggel von Diamanten über Zaire. Angolas Regierung fürchtet nun, Mobutu könnte versuchen, das angolanische Öl mit „Unita“-Hilfe unter seine Kontrolle zu bringen, und damit auch ohne sein politisches Überleben als Staatschef Zaires seinen bestimmenden Einfluß in der Region bewahren.