Lautes Pfeifen im finstern Wald

■ Hessens CDU macht sich Mut vor der Kommunalwahl

Frankfurt/Main (taz) – „Wir haben zur Zeit keine Saison.“ Petra Roth, die von der hessischen CDU noch vor Jahresfrist als „zweite Wahl“ gehandelte Gegenkandidatin zum sozialdemokratischen Frankfurter Oberbürgermeister Andreas von Schoeler, nahm bei der Begrüßung der Delegierten des CDU-Landesparteitags im Bürgerhaus Nordweststadt kein Blatt vor den Mund: Die Zeiten für die Union seien „schlecht und sehr schwer“ – und nur eine umgehende Absage an die bei den eigenen Leuten grassierende „kollektive Weinerlichkeit“ lasse der CDU Chancen auf einen Kommunalwahlsieg am 7. März in Hessen.

Nach zwei Umfragen hat sich die Union in Hessen bei mageren 30 Prozent „plus-minus x“ der WählerInnenstimmen in Hessen stabilisiert. „Da müssen wir durch“, war denn auch die Parole des Parteivorsitzenden und Fraktionsführers im hessischen Landtag, Manfred Kanther, der erneut seinem Ruf als CDU-„Stahlhelmer“ gerecht wurde: „Anpacken statt meckern ist die Devise. Hinstehen statt wegducken.“

Vom Parteivolk wurde Kanthers Grundsatzrede beim Kaffee im Foyer als „rhetorisch geschliffen“ gelobt, aber vielfach auch als „lautes Pfeifen im finstern Walde“ interpretiert. Schließlich weht den Kommunalwahlkämpfern der „Bonner Wind“ heftig ins Gesicht. Die stehenden Ovationen für den nur wegen der „Länderquote“ von Kohl geschaßten Bundesforschungsminister Riesenhuber aus Hessen waren ein Schlag ins Gesicht des Oggersheimers. Der räumte als Gastredner zwar ein, „auch Fehler gemacht“ zu haben, – „doch die Grundrichtung hat gestimmt“. Jetzt müßten „eklatante Mißstände“, wie der „Mißbrauch der Sozialhilfe“, beseitigt werden.

Nachdem die Flüchtlinge nach dem sogenannten Asylkompromiß mit der SPD ihre Schuldigkeiten als Sündenböcke der Nation offenbar getan haben, hat sich die Führungsspitze der Union auf die Suche nach neuen „Blitzableitern“ von der eigenen Verantwortung für den ausgebliebenen Aufschwung Ost und die ökonomische Talfahrt West begeben: Auch für Kanther muß die „Leistung der Tüchtigen“ wieder belohnt werden – „und nicht das bequeme Herausfinden von Nischen des Sozialsystems“. Der SPD warf Kanther im Zusammenhang mit der Debatte um den Solidarpakt vor, „Neid-Ladenhüter“ zum Programm hochstilisiert zu haben. Der „armen Figur“ Oskar Lafontaine falle zur Finanzierung eines Förderprogramms für den Osten nicht mehr ein als „zum fünften Mal der Jäger-90 und die Streichung der Subventionen beim Flugbenzin“. Kanther: „Das wäre so, als wollte Lafontaine seinen maroden Saar- Haushalt über die Abschaffung seines Leibhusaren sanieren.“ Da schlugen sich die Delegierten vor Lachen auf die Schenkel. An der Decke des Bürgerhauses hingen schließlich die Luftballons und Papierschlagen von der letzten Prunksitzung des örtlichen Karnevalsvereins. Büttentauglich war denn auch die Replik von SPD- Landesgeschäftsführer Herbert Schmitt auf den CDU-Parteitag: „Wie der Bundeskanzler versucht Kanther, die Hessen zu verkohlen.“ Klaus-Peter Klingelschmitt