„Nichtstun ist Euer Konzept“

■ Protest vor der Sozialbehörde: gegen konzeptlose Unterbringung von Flüchtlingen

Der Eingang zur Sozialbehörde im Tivoli-Hochhaus war mit einem Bauzaun verbarrikadiert. Ein schmaler Eingang war freigelassen, zwei „Lagerkontrolleure“ drückten den Besuchern des „Sozis“ Papiere in die Hand.

Rund 40 Mitglieder der „Bremer Kampagne gegen Sammellager“ verwandelten gestern morgen kurzfristig die Sozialbehörde in ein Lager für Asylbewerber. Die Aktion richtete sich gegen die Unterbringung von Flüchtlingen in Bunkern. Derzeit wohnen etwa 120 Menschen in zwei Katastrophenschutz-Bunkern. „Seit mehreren Jahren weiß die Behörde, was in punkto Unterbringung auf sie zukommt“, erklärte Thomas Stapke von der Kampagne, „aber ein Konzept dafür liegt nicht vor.“

Die Vorwürfe wollten Sozial- Staatsrat Hans-Christoph-Hoppensack und sein Referatsleiter Erhard Heintze nicht auf sich sitzen lassen. „Wir sind von der Menge derer, die untergebracht werden müssen, völlig überrollt worden“, erklärte Heintze. Im Jahr 1990 habe die Behörde 10.000 Menschen in Bremen untergebracht, Asylbwerber, Aussiedler, Übersiedler, allein die Zahl der Asylbewerber sei von 1991 auf 1992 um 2.000 gestiegen. „Wieviel Leute da jedes Jahr kommen, das können wir nicht voraussagen.“ Stapke dagegen: Die Zahl der Menschen, die untergebracht werden müssen, ist in den letzten vier Jahren konstant geblieben, die Behörde hätte längst ein Konzept vorlegen können.

Ein Konzept gebe es sehr wohl, konterte Heintze. Das lautet: Von derzeit etwa 7.000 Flüchtlingen sind mehr als 4.000 in Bremer Wohnungen untergebracht, rund 2.000 in Übergangswohnheimen und rund 1.000 in Hotels und Pensionen. Staatsrat Hoppensack: „Wir haben akute Probleme mit den Beiräten, wenn wir Häuser oder Wohnungen anmieten oder Unterkünfte bauen wollen. Wir können nicht so viel und vor allem nicht so schnell Unterkünfte beschaffen, wie wir wollen.“ Das seien doch alles vorgeschobene Argumente, wurde ihm entgegengehalten. Hoppensacks Einladung: „Gehen Sie mal mit auf eine der nächsten Beiratssitzungen, wenn es um Unterbringung geht.“

Haarsträubend seien die Lebensbedingungen für Flüchtlinge in den verschiedenen Unterkünften, kritisierten Kampagnen-Vertreter. Die Menschen dort könnten keinen Besuch empfangen, die Räume würden teilweise nicht geheizt, das Essen sei schlecht, „die Leute liegen aus Frust den ganzen Tag im Bett, weil sie nichts machen dürfen“, sagte Frank Düvall von der Kampagne. Staatsrat Hoppensack dazu: „Das mag im Einzelfall so sein, die Regel ist es nicht.“ Die Behörde habe die Besucherzahlen regulieren müssen, „weil da nicht zu jedem Asylbewerber 20 Leute auf einmal kommen können.“ (Heintze). Die Behörde habe Erfahrung darin. „Nicht Repression, Nichtstun ist Euer Konzept“, sagte Düvell, Hoppensack: „Sie sollten sich informieren, bevor Sie so etwas behaupten.“

Für die Bunkerbewohner steht schnelle Hilfe nicht in Aussicht. Derzeit wird in der Sozialbehörde über ein zweites Unterbringungsschiff geredet, beim Finanzsenator wird noch geprüft, ob so ein Schiff besser gekauft oder gemietet werden soll. Möglicher Anlegeplatz soll der Kohlehafen sein. Hans-Christoph-Hoppensack schätzt, daß das Schiff nach einer entsprechenden Entscheidung des Finanzsenators noch etwa drei Monate auf sich warten lassen wird. mad