„Autorität der Lehrer gilt doch noch was“

■ Gewalt unter Jugendlichen: Weniger Taten, dafür aber immer brutaler

Berlin. Zwei Elfjährige prügeln sich auf dem Schulhof. Plötzlich zückt der eine ein Butterflymesser und stößt es seinem Gegner in den Rücken. Drei Schüler strangulieren ihren 16jährigen Klassenkameraden im Umkleideraum mit einem Seil und versuchen ihn an einem Rohr aufzuhängen.

Gewalt, Nötigung und Erpressung sind an den Schulen schon lange kein Einzelfall mehr. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der registrierten Taten 1992 zwar leicht zurückgegangen, dafür werden diese aber immer brutaler. Früher wäre es beim Raub des Walkmans oder der Geldbörse geblieben, heute werde das Opfer dazu auch noch körperlich mißhandelt, berichtete gestern der stellvertretende Leiter der Polizei AG Gruppengewalt, Wolfgang Zirk. Der typische jugendliche Täter sei 16 bis 17 Jahre alt. 69 Prozent gingen zur Schule, 18 Prozent machten eine Ausbildung, 5 Prozent verrichteten ungelernte Tätigkeiten, 5 Prozent seien arbeitslos. Die Haupttatzeit liege zwischen 18 und 23 Uhr.

Daß von den 5.683 Gruppengewalttaten im Jahr 1992 ganze 230 im Schulgebäude verübt wurden, wertete Zirk als Beweis dafür, daß die Autorität der Lehrer offensichtlich doch noch etwas „gilt“. Über die Dunkelziffer gibt es allerdings keine Erkenntnisse. Einer wissenschaftlichen Untersuchung zufolge seien zwar 35 Prozent aller Schüler im Alter zwischen 14 und 18 Jahren bewaffnet, würden diese aber in der Regel nicht mit in die Schule nehmen, sondern irgendwo in der Nähe „bunkern“. Besonders beliebt seien Tränengas, Butterflymesser, Baseballschläger und Gaspistolen. Daß in den Schulen keine Ranzenkontrollen stattfänden, so Zirk, „finde ich in Ordnung“. In New York sei es dagegen bereits so, daß die Kosten für Metalldetektoren in den Schulen den Schulbuchetat überschritten.

Bei den ausländerfeindlichen Staftaten von Jugendlichen wurde nach Rostock allerdings ein Anstieg verzeichnet. Die Hauptmotive seien Dominanzverhalten und Bereicherungsabsichten, glaubt Zirk. Am meisten verantwortlich für die Gewalt, meint er, seien die Elternhäuser. „Ich habe in meinen 30 Dienstjahren selten intakte Familien kennengelernt. Die Kommunikation läuft über die Pinnwand.“ Mit den Kindern offen über die Probleme und die Gewalt reden, nicht ignorieren, wenn sie sich plötzlich die Haare abschneiden, hält Zirk immer noch für den besten Schutz. Und: zum Weglaufen ermutigen und die Polizei benachrichtigen. plu

Für Lehrer und Pädagogen bietet die Polizei AG Konfliktvermeidungsseminare an.