Hackende Robin Hoods

■ „Sneakers – Die Lautlosen“ von Phil Alden Robinson

Passend zum neuerwachten „New Deal“-Gefühl in der amerikanischen Politik darf nach jahrelanger Herrschaft von Terminatoren und anderer Kampfmaschinenfreunde des US-Präsidenten nun wieder der Kleinbürger den Edelmann mimen. Dan Aykroyd, Sidney Poitier und Robert Redford – schon die Besetzungsliste von „Sneakers“ liest sich wie der begleitende Showblock zum Parteitag der Demokraten. Schade nur, daß deren vermeintlich böser Counterpart im Film sich nicht in das freundlich-vernünftige Feindbildschema des Mittelstandes einpassen will.

Die Grenzen für das Zusammenspiel von Gut und Böse werden bereits in der Eingangsszene abgesteckt. Den Kopf voller Weltverbesserungsflausen und Lehrsätzen aus dem Informatikkurs, schalten sich zwei rebellische Studenten über den Schulcomputer in den bargeldlosen Geldverkehr ein, der laut Film schon Ende der sechziger Jahre via Datenbänke abgewickelt worden sein soll. Natürlich kommt das FBI dem befreiten Geldfluß auf die Schliche, und so wird einer der hackenden Robin Hoods festgenommen, während der andere kurz Pizza holt. Für Cosmo (Ben Kingsley) zerbricht die Freundschaft. Martin Bishop (Robert Redford) muß sich eine neue Identität zulegen.

Zwanzig Jahre später betreibt Bishop den codierten Schabernack am Datennetz für die andere Seite: Im Auftrag von Banken und anderen hochgesicherten Instituten fingiert er gemeinsam mit seinem fünfköpfigen „Sneakers“-Team ausgeklügelte Einbrüche, um sozusagen realsimulierend Tauglichkeit oder eben Untauglichkeit der jeweiligen Alarmsysteme zu prüfen. „Es ist ein Beruf wie jeder andere“, kommentiert Bishop den eingeschlagenen Weg als ganz gewöhnliches double-bind, und läßt den Zuschauer bereits erahnen, daß Sein oder Nichtsein nur eine Frage des Systems ist.

Nicht so für Cosmo. Er ist ist im Gefängnis vollends in die Hände der Mafia geraten und stellt seine logistischen Fähigkeiten „der Organisation“ zur Verfügung. Gegen den kapitalistischen Kleingeist seines ehemaligen Freundes setzt er auf den Kollaps der Politik. Sein gewaltsam erzwungener Zugang zu den Datenbanken soll einmal die Weltrevolution auslösen, deren Vollzug einzig vom Besitz eines ominösen Dechiffrierungsgeräts abhängt, mit dem jeder Code geknackt werden kann. So entwickelt sich der Wetteifer um die vollkommene Informationskontrolle zum Stellvertreterkrieg zwischen aufrechter Moral und Gesinnungsterrorismus. Martin wünscht sich Friede auf Erden [Is' schon wieder Weihnachten? d. säzzer] und einen ruhigen Lebensabend gemeinsam mit der Klavierlehrerin Liz, Cosmo will eine bessere Weltordnung programmieren.

Daß selbst im ausgebufften High-Tech-Kontext der Glaube an das Glück zu zweit obsiegt, deklassiert den Film zum kurzweiligen Anschauungsmaterial: Praktische Verdummung im Angesicht der elektronischen Objektivation aller politischen Strukturen. Am Ende scheitert das Weltentmächtigungsstreben Cosmos an Weichherzigkeit. Wer an diesen Wandel aus Reue glaubt, befindet sich mit den allgemeinen christlich-sozialen Glücksrad-Phantasien im besten Einklang. Hollywood hat den Informationskult in seine Produktpalette mit aufgenommen. Ansonsten hat sich Phil Alden Robinson mit „Sneakers“ nur mäßig bemüht, das mythische Netz der auf Mikrochips reduzierten Datenpolitik zu entwirren. Die Weltformel liegt in einem kleinen schwarzen Kasten verschlossen, um den sich die Protagonisten wie Halbwüchsige beim modernen Cowboy-und-Indianer- Spiel mit allerlei digitalem Rüstzeug balgen. Politiker werden jedoch weiterhin mit der Waffe beseitigt, so wie der russische Botschafter in einer der Schlüsselszenen des Films. Oder abgewählt. Für den Obdachlosen, der als stumme Klage auf dem Gehweg vor einer Reihe von Bush-Plakaten dahinvegetiert, machen der Werdegang der Weltverschwörung am Computer und die wechselnden Gestalten im Weißen Haus keinen Unterschied. Das hat er mit dem staatsdienernden Martin Bishop gemeinsam: Der kleine Mann steht und fällt mit seinem Glauben ans Gute. Dafür sind Computer zum Glück zu doof. Harald Fricke

„Sneakers – Die Lautlosen“ mit Robert Redford, Sidney Poitier, Ben Kingsley; USA 1992