Flugbetrieb zum Nulltarif

■ Für den Flughafen Tempelhof kassiert das Land Berlin seit Jahren keinen Pfennig Pacht/ Auch in Tegel Millionenverluste

Berlin. 56.000 Starts und Landungen waren im vergangenen Jahr in Tempelhof zu verzeichnen. Der rasante wirtschaftliche Aufschwung mit jetzt knapp 836.000 Passagieren kommt allerdings nicht allen Beteiligten gleichermaßen zugute. Das Land Berlin und der Bund sind zwar Eigentümer des Geländes, sie kassieren dafür aber keinen Pfennig Pacht. Der Bund, der mit 18,6 Hektar gut die Hälfte des Geländes und die Gebäude besitzt, ist über diesen Zustand sehr verärgert. Er pocht seit längerem auf eine angemessene Beteiligung an den Erträgen, bislang jedoch ohne Erfolg. Finanzminister Theo Waigel will 75 Prozent der ortsüblichen Nettokaltmiete kassieren, eine Forderung, die von der Betreiberin des Flughafens, der Berliner Flughafengesellschaft (BFG), als übertrieben abgelehnt wird. Und die BFG sitzt bei diesem Streit am längeren Hebel, kann sie doch auf zwei Erbpachtverträge aus dem Jahre 1950 verweisen, die ihr eine kostenlose Nutzung des gesamten Flughafengeländes für einen Zeitraum von 99 Jahren garantieren.

Dieser ungewöhnliche Bonus war der Flughafengesellschaft bereits während des Dritten Reiches in einem Vorvertrag eingeräumt worden. Dieser Vorvertrag wurde 1950 unverändert in Kraft gesetzt. Finanzsenator Elmar Pieroth fühlt sich auch heute noch an die Vereinbarung gebunden und sieht keinen Anlaß zu einer Änderung. Der Bund hingegen hat mittlerweile das Vertragswerk für ungültig erklärt, weil er seinerzeit wegen des 1950 in Berlin herrschenden alliierten Status nicht beteiligt war. Auch wenn die BFG die Forderung des Bundesfinanzministers nicht voll erfüllen will, ist sie, nach Auskunft des Leiters ihrer Rechtsabteilung, Felix Schöffer, durchaus gewillt, sich außergerichtlich zu einigen.

Um die Höhe des Pachtzinses für den Flughafen Tegel streiten das Land und die BFG hingegen demnächst vor Gericht. Finanzsenator Pieroth hat dieser Tage beim Landgericht Klage eingereicht, um eine Neufestsetzung der seit 1986 unverändert bei 440.000 Mark liegenden Pacht zu erreichen. Diese Summe entspricht einem Prozent des seinerzeitigen Umsatzes der Gesellschaft. Eine Angleichung ist seitdem nicht mehr erfolgt, obgleich die 1976 geschlossenen Verträge vorsahen, daß bei einer Steigerung des Umsatzes um mindestens zehn Prozent ein Erhöhungsbetrag neu auszuhandeln sei. Mittlerweile beträgt der Umsatz, den die Flughafengesellschaft in Tempelhof und Tegel erzielt, gut 180 Millionen Mark. Bereits 1988 bot die BFG freiwillig 520.000 Mark. Pieroth will nun auf einen Pachtanteil von zwei Prozent des Umsatzes klagen und begründet dies „mit dem erheblich gestiegenen Bodenwert“ (circa 120 bis 140 Millionen DM).

Damit bleibt er allerdings noch weit hinter dem zurück, was eigentlich vereinbart wurde. Der Vertrag sieht vor, daß der Pachtzins 6,5 Prozent des Verkehrswertes des Bodens betragen solle, diese Summe betrüge zur Zeit rund 7,5 Millionen Mark. An der Wirschaftlichkeit wollten sich die Vertragspartner nur deshalb orientieren, weil die BFG „aufgrund der besonderen Situation in Berlin nicht in der Lage war, die vereinbarte Bodenwertverzinsung zu erwirtschaften“. An einer Normalisierung dieser besonderen Situation scheint auch Pieroth nicht mehr zu glauben. Dieter Rulff