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■ Jiri Menzels "Prager Bettleroper" eröffnet eine tschechische Filmreihe in der ARD, 23.05 Uhr

Jiri Menzels „Prager Bettleroper“ eröffnet eine tschechische Filmreihe in der ARD, 23.05 Uhr

In der Gesellschaft der Gauner gilt derjenige als unehrenhaft, der einen anderen Gauner begaunert. Obgleich der Taschen- und der Straßendieb Gesetzesbrecher sind, folgt ihr Handeln einer strengen sittlichen Norm, die im höheren Sinn tugendhafter ist als das nur juristisch unbescholtene Verhalten des ehrlichen Bürgers. Auf diesen Nenner läßt sich John Gays schon 1728 uraufgeführte „Beggars Opera“ bringen, deren bekannteste Adaption Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“ ist. Eine nicht ganz so berühmte Bearbeitung hat der frühere tschechische Ministerpräsident Vaclav Havel im Jahr 1972 vorgenommen. Der tschechische Regisseur Jiri Menzel konnte den Stoff erst 1991 unter dem Titel „Prager Bettleroper“ verfilmen. Menzels heitere Revue — gottlob ohne Gesang inszeniert — ist eine Parabel auf den Apparat verfilzter bürokratischer Unterwürfigkeit des sozialistischen Systems mit all seinen windigen Verrenkungen zwecks Erlangung persönlicher Vorteile. Die Greenaways Dialogfeuerwerk aus dem „Kontrakt des Zeichners“ an schriller Gedrechseltheit nicht nachstehenden Unterhaltungen sind spitzfindige Miniaturen über Moralphilosophie. Die „Prager Bettleroper“ ist ein Genuß für diejenigen, denen zu einem Film mehr einfällt als jenes stereotyp-depressive „gut gemacht“ beim Bier nach dem Kinobesuch. Fortgesetzt wird die Reihe am 10.2. Mit „Lenin, Herrgott und die Mutter“ von Jan Schmidt. Aus dem Blickwinkel eines kleinen Jungen, der mit seiner Schwester vom Land zurück zu seiner Mutter in die Stadt zieht, werden tragikomische Zustände der stalinistischen Vergangenheit aufgearbeitet. Am 17.2. folgt „Ich glaube an dich, John Lennon“ von Milan Cieslar aus dem Jahr 1991. Im noch repressiven Klima der 80er Jahre flüchtet sich der Flugzeugmechaniker Martin in die imaginäre Welt seiner Idolfigur John Lennon mit all dessen blumigen Versprechungen. Die Reihe schließt am 24.2. mit „Du allein“ von Zuzanna Hojdova, der Einblicke in das Lebensgefühl junger Prager vor der „sanften Revolution“ von 1989 vermittelt.Manfred Riepe