: Blutiger Triumph für Zaires Diktator
Mobutus Präsidialgarde wütet in Kinshasa/ Jagd auf politische Gegner fordert über 1.000 Tote/ Die Rebellen in der Armee sind besiegt, die Übergangsregierung ist ausgeschaltet ■ Von François Misser
Brüssel (taz) – Fünf Tage nach den Plünderungen in Zaires Hauptstadt Kinshasa, bei denen aufständische Soldaten ganze Straßenzüge in Schutt und Asche legten, sitzt Präsident Mobutu fest im Sattel. Mit einem „technischen Staatsstreich“ hat der langjährige Diktator seine innenpolitischen Gegner – allen voran die Übergangsregierung unter Premierminister Etienne Tshisekedi – ausgeschaltet.
Nach letzten Informationen ist Mobutus Präsidialgarde (DSP) nunmehr vollständig Herr der Lage. Die Kasernen der revoltierenden Militärs sind umstellt, die Innenstadt Kinshasas abgeriegelt, Zusammenkünfte von mehr als fünf Menschen untersagt, die freie Presse untersagt. Die wichtigsten Führer der Übergangsregierung und der Oppositionsparteien sind untergetaucht, um den Todesschwadronen zu entgehen, die in Kinshasa von Haus zu Haus gehen und Regimegegner töten. Pierre Lumbi, Außenminister in Tshisekedis Übergangsregierung, nannte am Montag die Zahl von 1.000 Toten. Der hohe Blutzoll erklärt sich, so Beobachter, aus dem Wunsch der DSP – die aus Mitgliedern von Mobutus Ngandi-Stamm besteht – ein für alle Mal jeden möglichen Rivalen innerhalb des Sicherheitsapparates zu beseitigen.
Opposition will ausländische Intervention
Viele Geschehnisse der letzten Tage sind noch unklar. Das im letzten Sommer gebildete, von der Opposition beherrschte Übergangsparlament „Hoher Rat der Republik“ (HCR) konnte sich zwar am Montag im Diözesangebäude von Gombe treffen, aber von irgendwelchen Beschlüssen ist nichts bekannt. Die zairische Opposition glänzt durch Sprachlosigkeit: außer Außenminister Lumbi hat sich niemand geäußert. Lumbi hatte am Samstag den belgischen Truppen, die sich in Kongos Hauptstadt Brazzaville auf dem gegenüberliegenden Ufer des Zaire-Flusses aufhielten, die Erlaubnis zum Einmarsch gegeben, obwohl Mobutu dies verboten hatte. Aber die belgische Regierung entschied sich, das Veto des Diktators zu respektieren, um das Leben der Belgier in Kinshasa nicht zu gefährden.
Am Montag veröffentlichte Lumbi einen zweiten Appell, der eine ausländische Militärintervention forderte, um Ruhe und Ordnung in Kinshasa wiederherzustellen. Zu spät – Frankreichs Außenminister Roland Dumas hatte bereits erklärt, ein französisches Eingreifen in den zairischen Machtkampf stünde nicht zur Diskussion. Und Belgiens Verteidigungsminister Leo Delcroix verkündete am gleichen Tag den Abzug der 550 in Brazzaville stationierten belgischen Truppen bis zum Ende dieser Woche.
Restauration des Mobutu-Absolutismus
Die vergangene Woche hat der Diktator zu einer vollständigen Restauration seiner alten absoluten Herrschaft genutzt, die in den letzten Wochen immer stärker gefährdet war – zuletzt mit der Ankündigung des Übergangsparlamentes vor zwei Wochen, gegen den Präsidenten ein Amtsenthebungsverfahren wegen Hochverrats vor dem Obersten Gericht einzuleiten. Nach der „Säuberung“ Kinshasas kommt nun auch der Rest des Landes an die Reihe: In der Provinz Bas-Zaire befindet sich die Armee zur Zeit auf Oppositionellenjagd, in der südlichen Equateur-Provinz werden die Mitglieder des Luba-Volkes – dem auch Tshisekedi angehört – ihrerseits des „Hochverrats“ beschuldigt und verfolgt.
„Alles deutet darauf hin, daß die Tage der Tshisekedi-Regierung gezählt sind“, schrieb gestern die Tageszeitung La Libre Belgique. Omar Nkamba, ein Berater Tshisekedis, der sich in Brüssel aufhält, ist „schwer enttäuscht“ über das Stillhalten des Auslands, das „Mobutu bewaffnet hat“. Belgien, Frankreich und USA stehen vor einer völlig neuen Lage: Während sie bisher noch Mobutu dazu auffordern konnten, die im letzten Sommer vereinbarte Machtübergabe an Tshisekedi endgültig zu vollziehen, sind sie nun mit einem triumphierenden Putsch-Präsidenten konfrontiert.
An bitteren Ironien mangelt es dabei nicht. In diesen Tagen sollte der Präsident des Übergangsparlamentes, Bischof Monsengwo, von der belgischen Universität Leuven die Ehrendoktorwürde entgegennehmen. Er mußte seinen Besuch absagen. Statt dessen erschien im belgischen Fernsehen General Ngbanda Nzambo, der Sicherheitsberater Mobutus, dessen Brutalität ihm den Spitznamen „Terminator“ eingetragen hat, und zitierte das Sprichwort: „Man kann kein Omelett machen, ohne Eier kaputtzuschlagen.“
Deutlich genug hatte Mobutu schon am Wochenende dem Ausland seine Autorität vorgeführt. Die evakuierungswilligen Belgier in Kinshasa wurden gezwungen, das Land auf seiner Privatjacht „Kamanyola“ zu verlassen, unter der Eskorte der Präsidialgarde und dem Mobutu-Sohn Kongolo, auch als „Saddam Hussein“ bekannt. Die Präsidialgarden gingen soweit, segelfertige Belgier von einem anderen Privatschiff herunterzuholen, um sie auf Mobutus Jacht zu bringen. Die Botschaft: Nur er, Mobutu, ist jetzt noch handlungsfähig und -berechtigt in Zaire. Der Coup ist geglückt.
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