„SOS-Mitmensch“ feiert Erfolg

■ Die GegnerInnen des Anti-Ausländer-Volksbegehrens in Österreich sind erleichtert/ Haider gesteht Niederlage ein

Berlin (taz) — Bei „SOS-Mitmensch“ in Wien knallten in der Nacht zu Dienstag die Sektkorken. Seit Monaten hatte der von dem All-Round-Künstler André Heller ins Leben gerufene Zusammenschluß von Intelektuellen, Oppositionellen, Kirchenleuten und Regierungspolitikern gegen das Volksbegehren „Österreich zuerst“ angearbeitet. Ihr Argument gegen das dumpfe „Österreich zuerst“ von Jörg Haider war ein aufforderndes „Anständigkeit zuerst“.

Zu „Lichtermeeren“ in beinahe allen größeren Orten hatten sie mehr ÖsterreicherInnen auf die Straße gebracht als irgendjemand zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg. Aber die Angst, das Anti-Ausländer-Volksbegehren könnte trotz allem ein Erfolg werden, war bis zum letzten Moment geblieben.

Insofern konnte die Nachricht, die am späten Montag abend aus dem Innenministerium kam, gar nicht besser sein: „Nur“ 417.000 ÖsterreicherInnen haben das 12-Punkte-Programm unterschrieben. Das entspricht 7.4 Prozent der wahlberechtigten Österreicher oder der Hälfte von Haiders Wählerschaft bei den letzten Parlamentswahlen.

Die höchste Unterschriftenrate wurde in dem Bundesland Kärnten — einer traditionellen Haider- Hochburg — mit 13,37 Prozent erreicht. Aber auch in der 1,5 Millionen-Stadt Wien unterschrieben 8.9 Prozent das Volksbegehren.

Formales Ziel erreicht

Formal ist das Ziel eines Volksbegehrens damit erreicht: Das 12-Punkte-Programm, das unter anderem eine Verfassungsbestimmung vorsieht, wonach Österreich kein Einwanderungsland ist, und einen sofortiger Zuwanderungsstopp verlangt, muß im Parlament (Nationalrat) behandelt werden. Schon 100.000 Unterschriften hätten zu diesem Zweck gereicht. Im Nationalrat werden alle anderen Parteien gemeinsam gegen das Programm stimmen, wie sie schon vor Monaten angekündigt haben. Aber um das Parlament ging es Haiders Freiheitlicher Partei (FPÖ), die im Nationalrat 17 Prozent hält, gar nicht so sehr. Andernfalls hätten ihre 33 Abgeordneten das 12-Punkt-Programm dort direkt einbringen können. Das Volksbegehren gab Haider viel eher die Möglichkeit, die Öffentlichkeit zu polarisieren und den beiden Regierungsparteien — konservative ÖVP und sozialdemokratisch SPÖ — eine öffentliche Kraftprobe aufzuzwingen.

Angespornt von seinen jüngsten Wahlerfolgen auf kommunaler Ebene, die von Wien bis in die tiefste Provinz bei jeweils über 20 Prozent lagen, hatte sich der unumstrittene Chef der FPÖ zwischen 700.000 und 1,2 Millionen Unterschriften beim Volksbegehren ausgerechnet.

Den Mißerfolg bei diesem Zählappell gestand Haider am Montag abend kleinmütig ein. Zugleich begrüßte er, daß sich trotz des massiven Widerstands der übrigen Parteien, der Gewerkschaften und der Kirchen so viele „mutige“ Menschen öffentlich in die Listen eingetragen hätten.

Die andere Seite zeigte überschwenglich ihre Freude über Haiders Niederlage. Darunter der sozialdemokratische Innenminister Franz Löschnak (SPÖ) und der Generalsekretär der konservativen ÖVP, Ferdinand Maier. Letzterer hält das Ergebnis für eine deutliche Ablehnung der ausländerfeindlichen Kampagne der FPÖ. Der Zentralsekretär SPÖ, Josef Cap, wertete das Ergebnis als „schwere persönliche Niederlage Haiders“.

Nach seiner politischen Niederlage beim Volksbegehren über die Ausländerpolitik wird jetzt von politischen Beobachtern erwartet, daß Haider sich auf seine Kampagne gegen einen Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft konzentriert. Die Beitrittsverhandlungen haben am Montag in Brüssel begonnen.