Nicht nur in Deutschland, auch in Kroatien selbst erregt die Diskussion um die für Sonntag geplante Frauenkonferenz zu den Massenvergewaltigungen in Bosnien die Gemüter. Bis gestern war nicht entschieden, ob Zagreb Veranstaltungsort bleibt.

Kroatinnen wollen Frauen- Tribunal platzen lassen

Kann der für nächsten Sonntag in Zagreb geplante Kongreß „Internationale Frauen-Solidarität“ zu den systematischen Vergewaltigungen bosnischer Frauen überhaupt stattfinden? Seit Wochen erhitzt die Diskussion über den Kongreß die Gemüter vieler Frauen, nicht nur in Deutschland und Westeuropa, auch in Kroatien. Seit die von vielen als „nationalistisch“ eingestufte kroatische Frauengruppe „Wall der Liebe“ – deren Mitglieder sich auf dem Kongreß unterrepräsentiert fühlen – in den letzten Tagen erneut erhebliche Bedenken gegen den Veranstaltungsort Zagreb vorgebracht hat, wurde gestern mit dem Vizepräsidenten Kroatiens, Granić, verhandelt. Der Kongreß, so einige der in „Wall der Liebe“ engagierten Frauen, „sollte in Sarajevo oder gleich in Belgrad stattfinden“. Offensichtlich fürchten diese Frauen, die der kroatischen Regierungspartei HDZ nahestehen, der Kongreß könnte in eine Richtung gelenkt werden, die der kroatischen Regierung nicht genehm ist. Und nicht zuletzt repräsentiere er die „internationalen Verbindungen der kroatischen Feministinnen und der Friedensbewegung“, deren Stimme im Ausland eine überproportionale Bedeutung habe.

Doch dieser ehrenvolle Vorwurf wird bei den kroatischen Feministinnen und FriedensaktivistInnen gar nicht wahrgenommen. Denn auch sie sind frustriert. Ihre Kritik an dem Kongreß entspringt einem Politikverständnis, das Engagement in kleinen Projekten befürwortet, mit einer Veranstaltung wie dieser jedoch überfordert ist. Doch vor allem fühlen sie sich dadurch zurückgesetzt, daß die Veranstalterinnen „es nicht für nötig hielten, uns, die wir vor Ort arbeiten, einzuladen“. Dabei ist der Kongreß am Veranstaltungsort Zagreb nach wie vor eine gute Idee, schob er doch in vielen Ländern die Diskussion über das Problem der Massenvergewaltigungen erst so richtig an. Und immerhin wurde allein mit seiner Ankündigung erreicht, daß das vorher auch in der kroatischen Öffentlichkeit tabuisierte Thema öffentlich diskutiert werden konnte. Nicht zuletzt damit wurden die bürokratischen Hürden für die Planung und Konkretisierung von Projekten für die vergewaltigten Frauen aus dem Weg geräumt. Die kroatische Regierung plant inzwischen selbst ein Zentrum für die Betreuung gefolterter Frauen.

Lea Rosh, die in Deutschland bekannte Fernsehjournalistin und Hauptveranstalterin des Ereignisses, wollte durch die Tagung mit Hunderten von prominenten Teilnehmerinnen aus aller Welt dazu beitragen, die Vergewaltigungen von Frauen in Bosnien zu stoppen. Darüber hinaus wollte sie Spenden eintreiben, die zur Überwindung der physischen und psychischen Wunden von Zigtausenden Frauen in Bosnien-Herzegowina nötig sind. Die Irritationen scheinen jedoch dadurch ausgelöst, daß die Vorbereitungsgruppe in Deutschland die serbischen Frauen nicht düpieren wollte. Da es für Serbinnen aus Serbien nicht möglich ist, nach Zagreb zu reisen, wurde, um den Vorwurf der Kumpanei mit Kroatien zu entkräften, die Teilnahme kroatischer Frauen begrenzt. Und damit wurde dann jener Unmut bei den kroatischen Feministinnen erzeugt.

Die Diskussionen und das Drumherum geben einen Einblick in die psychische Verhärtung, die mit dem Krieg einhergeht. Ob die Vergewaltigungen zwangsläufige Begleiterscheinung eines jeden Krieges seien oder in diesem bestimmten Krieg Teil einer umfassenden Strategie der serbischen Seite darstellten, entzweite schon im Vorfeld die Geister. Die erste Position wurde anläßlich der Vorbereitungskonferenz in Hannover vor allem durch serbische Frauen lautstark und erfolgreich vorgebracht. Erfolgreich deshalb, weil viele deutsche Frauen die Konsequenzen aus der zweiten Position zu ziehen scheuten. Und die bestehen darin, politisch Partei zu ergreifen gegen diejenigen, die an den Massenmorden und Vergewaltigungen schuld sind.

Vor Ort, in Zagreb und vor allem in Bosnien, türmen sich für jene, die praktische Hilfe leisten wollen, die Probleme. Auch von feministischer Seite sind schon konkrete Projekte angeschoben worden. Die im Zusammenhang mit der Zagreber Frauenlobby und dem autonomen Frauenhaus Zagreb entstandene Gruppe „Zentrum für weibliche Kriegsopfer“, in der Psychologinnen und Medizinerinnen mitarbeiten, hat bereits einen Projektantrag formuliert. Mit Kindern in den Flüchtlingslagern arbeitet die Gruppe „Sunflower“. Dazu kommen noch einige andere Projekte, die ebenfalls im Anfangsstadium stecken.

In ihrer Planung und Realisierung jedoch weitergekommen sind die Profis der deutschen und internationalen Hilfsorganisationen. Ob Caritas, Cap Anamur oder das Malteser Hilfswerk, alle sind bereits über die Planungsphase hinaus, wie Rainer Wigger von Cap Anamur behauptet. In weniger als 14 Tagen stünden in drei Häusern 285 Plätze für die Frauen zur Verfügung, verweist der deutsche Caritas-Vertreter Odendahl auf das Haus, das von der örtlichen Vertreterin Jelena Braisa geleitet werden wird. Dieses Haus wird nicht nur vergewaltigten Frauen zur Verfügung stehen, auch andere weibliche Kriegsopfer werden Zugang haben. So soll die Stigmatisierung der Opfer im Umfeld vermieden werden.

Wenngleich auch das Malteser Hilfswerk sich an dem von der kroatischen Regierung eingerichteten Haus in Varasdin mit Personal und Hilfe beteiligen wird, so favorisiert Leiter Krauskopf die schnelle und konkrete Hilfe in Bosnien selbst. Denn nicht in Kroatien liege das Problem. So will er den dort noch funktionierenden Krankenhäusern möglichst schnell gynäkologische Instrumente und Medikamente zur Verfügung stellen. Ebenfalls vor Ort müßte die Soforthilfe in eine Langzeittherapie übergehen.

Ausnahmslos alle Projekte stehen vor dem Problem, daß viele Frauen ihre Anonymität gegenüber dem offenen Eingeständnis ihrer erlittenen Qual vorzuziehen scheinen. Die angebotene Hilfe in Anspruch nehmen wollen in Zagreb deshalb noch relativ wenige Frauen. Wenn die Häuser erst arbeiteten, würden sie sich jedoch melden, kalkulieren die ExpertInnen. Doch bleibt die entscheidende Frage offen, wie und unter welchen Umständen den Betroffenen in Bosnien selbst geholfen werden kann, zumal der brutale Krieg, den nun ja zeitweise auch Kroatien gegen Bosnien führt, die Emotionen hochpeitscht. Anders als jetzt in Kroatien werden nämlich die Vergewaltigungen in Restbosnien immer noch weitgehend tabuisiert. Schon bei der Frage der Adoption von Kindern aus den Schwangerschaften kam es zu Irritationen, glaubten doch bosnische Regierungsstellen, die Christen würden den Moslems auch noch die Kinder wegnehmen wollen. Die Hilfe muß, so die Meinung aller ExpertInnen, mit äußerstem Fingerspitzengefühl und in vertrauensvoller Zusammenarbeit mit den bosnisch-muslimanischen Hilfsorganisationen vonstatten gehen. Erich Rathfelder, Zagreb