Kita-Neubauten auf Eis

■ Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz: Senat kann den Bedarf nicht decken und damit das Bonner Versprechen nicht erfüllen

Berlin. Eine Angleichung der Lebensverhältnisse auf Ostniveau ist die Zielsetzung von Jugendsenator Thomas Krüger bei der Kindertagesstättenplanung. Dieses ehrgeizige Vorhaben wird wohl noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Wie einer nun von seiner Verwaltung erarbeiteten Statistik zu entnehmen ist, besteht in den östlichen Bezirken ein Versorgungsgrad von durchschnittlich 75 bis 80 Prozent, während die Betreuungseinrichtungen im Westteil der Stadt gerademal 40 Prozent des Bedarfs abdecken. Spitzenreiter ist der Bezirk Lichtenberg mit 85 Prozent, das Schlußlicht bildet Tempelhof mit 37 Prozent. Insgesamt stehen einem Angebot von 215.537 Plätzen 360.807 Kinder bis zu neun Jahren gegenüber. In der Jugendverwaltung wird der aktuelle Fehlbedarf, wie er sich in den Wartelisten niederschlägt, auf 30.000 Plätze veranschlagt.

Der Nachfragedruck könnte sich allerdings erheblich erhöhen, wenn ab 1996 jedes Kind einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz genießt. So wurde es zumindest im Rahmen der Beratungen zur Änderung des Paragraphen 218 vom Bundestag im Schwangeren- und Familienhilfegesetz beschlossen. 15.500 zusätzliche Plätze müßten in Berlin eingerichtet werden, um diesem Gesetzesanspruch Genüge zu tun. Die dafür erforderliche Investitionssumme beträgt 1,2 Milliarden Mark, hinzu kommen 200 Millionen Mark jährlich zur Finanzierung der entsprechenden Erzieherstellen und des Unterhalts.

Für Krüger ist schon jetzt klar, daß er diese Summe nicht aus Landesmitteln aufbringen kann. Das Land Berlin schließt sich deshalb einer Bundesratsinitiative Nordrhein-Westfalens an, in der der Bund verpflichtet werden soll, für die finanziellen Konsequenzen seines eigenen Gesetzes aufzukommen. Doch hat die Bundesregierung kurz vor Weihnachten bereits erklärt, daß die Bereitstellung der Kindergartenplätze Vorbehaltsaufgabe der Länder sei.

Schon bevor das Gesetz beschlossen wurde, hatte die Regierungskoalition in Berlin die Einrichtung von 12.000 Kitaplätzen vereinbart. Entsprechend sind 100 Kita-Neubauten in die Investitionsplanung bis 1996 aufgenommen worden. Allerdings bedeutet dies noch nicht, daß auch die entsprechenden finanziellen Mittel zur Verfügung stehen. Im Gegenteil, Ende Dezember verhängte Finanzsenator Elmar Pieroth eine pauschale Sperre für Hochbaumaßnahmen, um seine Haushaltslücken zu decken. Der Neubau von 17 Kitas ist damit auf Eis gelegt. Es werde nun, so erklärte Pieroths Sprecher Thomas Butz, von Fall zu Fall geprüft, ob die Investition tatsächlich erforderlich ist.

Jugend- und Familiensenator Thomas Krüger kann allerdings guter Hoffnung sein, an das notwendige Geld zu kommen. Immerhin soll Pieroth im Senat bereits die Vorlage der Jugendverwaltung mitgezeichnet haben, in der die Investitionsvorhaben aufgelistet sind – und zwar nachdem er die Sperre verhängt hatte. Dieter Rulff