Sparen von der Substanz

■ Görlitz will vom Land Sachsen Überlebenshilfe, doch Sachsen selbst kann auch nur feilschen – in Bonn

„Geld bleibt auf Dauer knapp“, kommentierte der Finanzexperte des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Reiner Israel, trocken die Lage in den sächsischen Kommunen. Sparsamkeit allein reicht lange nicht, um von dem schon heute gewaltigen Schuldenberg herunterzukommen und die kommunalen Aufgaben zu erfüllen. Als die Neißestadt Görlitz zu Jahresbeginn den 93er Haushaltsplan zusammenrechnete, klaffte ein Loch von zunächst 49 Millionen Mark – das sind 19,4 Prozent des gesamten Verwaltungshaushaltes. Nach dem nächsten Zusammenrechnen waren es noch knapp 33 Millionen. Im Eiltempo hatte die Stadt die Personalkosten für Kindertagesstätten und einige Geschäftskosten zusammengestrichen, Gebühren erhöht und einen Zustand erreicht, den Oberbürgermeister Matthias Lechner (CDU) so beschreibt: „Trotz vorgesehener Einnahmeerhöhungen und Reduzierungen der Ausgaben würden weitere Angleichungen an die Substanz unserer Stadtverwaltung mit ihren Einrichtungen gehen.“ Lechner bat daraufhin seinen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU) darum, „der kreisfreien Stadt Görlitz die zusätzlichen finanziellen Mittel von 32.819.000 DM zur Verfügung zu stellen“.

Görlitz, die alte Tuchmacher- und Handelsstadt an der polnischen Grenze, deren Altstadt in einem Modellprojekt mit Geldern von Bund und Land saniert wird, hat in den letzten Jahren fast 30.000 Einwohner verloren. Nur ein Zehntel des Stadtsäckels füllen die Einheimischen mit Steuern. Mit 22,5 Mio. Mark stehen die Personalkosten an der Spitze der Görlitzer Verlustrechnung; rund 2.000 Beschäftigte hat die Kommune.

Steuereinnahmen können Kürzungen nicht abfedern

Besonders hart trifft die öffentlichen Haushalte, daß das Land die „Schlüsselzuweisung für den allgemeinen Finanzbedarf“ der Städte und Gemeinden ab 1994 um jährlich acht Prozent kürzen will. Ein Abbau, der durch kommunale Steuereinnahmen nicht annähernd ausgeglichen wird und in Lechners Rechnung an Biedenkopf mit fünf Millionen zu Buche schlägt. Das heute schon grobmaschige Netz von Kindereinrichtungen steht für Görlitz ebenso zur Disposition wie der ohnehin „ausgedünnte“ Nahverkehr. Eine Straßenbahnfahrt kostet jetzt 1,50 Mark. „Noch eine Erhöhung der Fahrpreise“, fürchtet OB-Referent Horst Bambynek, „würde die Attraktivität des ÖPNV erheblich beeinträchtigen.“ Görlitz sieht sich aber mit der Verringerung des Sonderlastenausgleichs für den Personennahverkehr konfrontiert und hat dadurch Verluste von 1,7 Mio. Mark. Um 1,1 Mio. sollen sich zudem die Zuschüsse vom Land verringern. Viel zu früh, befindet der Referent, denn die Stadtwerke, zu denen neben dem Nahverkehr auch Gas-, Wasser- und Elektroenergiewerke gehören, bringen so schnell noch nicht den nötigen Gewinn.

Schon geht die Angst vor dem Konkurs um, die Stadt begibt sich an den Tropf der Landeskasse, doch auch die kann nur tröpfeln und in Bonn um neue Zuwendungen feilschen. Es war übrigens Sachsens Ministerpräsident Biedenkopf, der als erster vor einer derartigen „inneren Einheit Deutschlands“ gewarnt hat, in der die Ostländer nur Bittsteller sind und der Bund mit den Westländern immer mal wieder prüft, was sich machen läßt. Detlef Krell