Radioaktiv?

■ Litauer wollte Scandium verkaufen

Bereits vier Mal ist bekannt geworden, daß radioaktives Material in Bremen verkauft werden sollte. Jetzt vermutet die Polizei einen fünften Fall.

Am vergangenen Freitag versuchte ein ca. 45 Jahre alter Mann, nach eigenen Angaben aus Litauen kommend, das Leichtmetall Scandium in einem Geschenkartikelgeschäft zu verkaufen. Mit 10 Gramm der Ware in einer Plastiktüte betrat der Mann das Geschäft in der Neustadt, legte dem Geschäftsinhaber ein „Reinheitszeugnis“ in kyrillischer Schrift vor und nannte einen Preis von 80 Dollar für die 10 Gramm. Außerdem gab er an, im Besitz von weiteren 861 Gramm zu sein.

Der Geschenkartikelhändler lehnte den Kauf ab, worauf der Mann erklärte, er wolle das Scandium der Preussag anbieten. Er ist nicht wieder aufgetaucht. Einen Tag später informierte der Geschäftsmann die Polizei.

Das Umweltschutzdezernat K52 der Polizei, für die „Nuklearkriminalität“ zuständig, kann nichts darüber sagen, ob das Scandium radioaktiv war. „Es gibt strahlende und nicht strahlende Arten“, sagt Klaus Kuhlmann, Leiter des K52. „Scandium kann als Abfallprodukt aus dem Kernreaktorbetrieb auftreten, und dann strahlt es.“

Chemisch reines Scandium ist ein seltenes Leichtmetall. Radioaktiv ist es hingegen auch in Bremer Chemikalienhandlungen erhältlich — die Flasche à 1 Gramm zu 872 Mark. Scandium wird als Beilegierungselement für Stahlrohre benutzt, die in Kernkraftwerken verwendet werden. Die dritte Möglichkeit ist fast auszuschließen: Radioaktive Scandium-Isotope können im Labor in einem extrem komplizierten Verfahren hergestellt werden — doch niemals in solchen Mengen, die einen Menschen zudem längst tödlich verstrahlt hätten.

Die Polizei nimmt den Fall zum Anlaß, vor dem Handel mit radioaktivem Material zu warnen. „Die Nuklearkriminalität hat von 1991 bis 1992 um 385 Prozent zugenommen“, so der Umweltpolizist. Dabei gebe es sowohl organisierte Kriminalität als auch wie hier „chaotische Methoden von Einzelnen“. „Die Leute sind zum Teil völlig unbedarft und denken sich, es werde hier schon einen Markt für alles mögliche geben.“ Betrügereien kämen dabei auch vor. Deshalb die Warnung: Schon die bloße Besichtigung von Stoffen wie Plutonium, Titan, Kobalt 60 usw. kann zu erheblichen Gesundheitsschäden führen. Erst Ende letzten Jahres tauchte auch Bremen in Verbindung mit einem Deal in großem Stil auf: fast ein Kilo Kobalt 60 sollte da für 20 Mio. Mark verhökert werden. skai

Wer von solchem Handel erfährt, wird um Mithilfe gebeten: 362-6705