Bauwirtschaft vermißt vielbeschworenen Boom

■ Stagnation in der Branche/ Bauverwaltung erfreut über stabile Preise/ Lobby drängt nun auf den „Umbau“ des Senats

Berlin. Berlin im Jahre drei nach der Vereinigung: Wer sein Haus verläßt, stolpert spätestens nach wenigen Metern über eine Schaufel oder fällt gleich in eine Baugrube hinein. Doch die Baulobby beschwerte sich gestern — im Vergleich zum Vorjahr stagniere die Zahl der Aufträge, so die Fachgemeinschaft Bau e.V., in der sich 970 Unternehmer aus der Spaten- und Baggerbranche Berlins und Brandenburgs zusammengeschlossen haben.

Die Fachgemeinschaft argumentierte mit den neuesten Zahlen des Landesamts für Statistik. Und die besagen, daß die Menge der Arbeitsstunden im Wohnungsbau im Westteil der Stadt von November 1991 zu November 1992 um 1,4 Prozent und im Ostteil um 2,5 Prozent gefallen sei. Die Straßenbauunternehmen hatten nach Aussage der Erhebung in den Westbezirken 6,3 Prozent und in den Ostbezirken gar ein Drittel weniger zu arbeiten als 1991.

Doch was die Zahlen auf den ersten Blick versprechen, halten sie auf den zweiten nicht. Aus den „bauwirtschaftlichen Eckdaten“ der Fachgemeinschaft, die der taz vorliegen, geht hervor, daß in der Region Berlin und Brandenburg die Arbeitsstunden im gesamten Baugewerbe um 0,7 Prozent auf knapp 13 Millionen Stunden im November vergangenen Jahres gestiegen sind. Doch für das Minus in den von ihr herausgegriffenen Sparten hat die Fachgemeinschaft die Schuldigen schon ausgemacht: Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) und Finanzsenator Elmar Pieroth (CDU).

Der erstere habe den sozialen Wohnungsbau nicht genügend angekurbelt, der letztere mit seiner Haushaltssperre in den Bezirken dazu beigetragen, daß zeitraubende Antragsverfahren deren Hoch- und Tiefbaumaßnahmen verzögerten. Die Unternehmer fordern nun nicht nur, daß die Baugenehmigungsverfahren in Berlin und Brandenburg „beschleunigt“ werden, sondern drängen auf einen schnellen Umbau der Berliner Verwaltungen. Insbesondere sollten die „baurelevanten Kompetenzen“ neu geordnet werden.

Die Bauverwaltung begrüßte die Stagnation im Bau. „Dann bleiben die Preise stabil“, kommentierte Peter Weninger. Zu den angeblichen Einbrüchen im Wohnungs- und Straßenbau sagte der Sprecher, daß der Interessenverband die für seine Argumentation günstigsten Zahlen herausgepickt habe. Dirk Wildt