■ Mit Brasiliens Autos auf du und du
: Käfer gegen Krise

Rio de Janeiro (taz) – Brasiliens Präsident Itamar Franco, 62 Jahre, hat das Auto seiner Jugend zum Retter der Nation auserkoren: Der VW-Käfer soll das Land aus seiner chronischen Wirtschaftskrise reißen. Francos Sehnsucht nach dem in dem 60 Jahre alten Modell aus Deutschland könnte bald in Erfüllung gehen. Die internationale Holding Autolatina, in der die Konzerne VW und Ford zusammengeschlossen sind, meint, der Oldie könnte schon im Juli wieder vom Band rollen.

Der Käfer, für die Brasilianer Symbol eines robusten und billigen fahrbaren Untersatzes wurde insgesamt 27 Jahre in Brasilien produziert. 1986, als nach drei Millionen Exemplaren seine Fertigung eingestellt wurde, kostete ein „Sedan 1200“ inklusive 45 Prozent Steuern 3.300 Dollar. Das gewerkschaftsnahe Wirtschaftsinstitut Dieese (Sao Paulo) rechnete vor, daß der von Autolatina vorgeschlagene Preis von 7.000 Dollar die Gewinnspanne des Konzerns von 10,47 auf 36,4 Prozent anheben würde.

Das Wichtigste, so erklärte das Staatsoberhaupt, sei jedoch die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Die Montage des Käfers würde in Sao Paulo, wo zur Zeit 1,2 Millionen Menschen arbeitslos sind, 800 direkte und 23.000 indirekte neue Arbeitsplätze schaffen. Die brasilianische Autoindustrie stagniert seit sechs Jahren. Im vergangenen Jahr wurden genauso viele Pkws und Lkws gefertigt wie 1986, nämlich 1,1 Millionen. Dennoch beschäftigen die Konzerne und ihre Zulieferbetriebe im Industriedreieck von Sao Paulo noch immer eine halbe Million Menschen und setzen jährlich etwa 30 Milliarden Dollar um.

Francos Käfer-Idee hat bereits Reaktionen ausgelöst. Fiat bietet einen eigenen Wagen für 6.500 Dollar an – falls die Steuern entsprechend gesenkt würden. Der Mehrheit der 144 Millionen BrasilianerInnen wird Itamars Feilscherei um ein „Auto fürs Volk“ jedoch wenig nutzen. Gerade 0,5 Prozent der gesamten Bevölkerung können sich einen Neuwagen leisten, der heute im günstigsten Fall knapp 8.000 Dollar kostet.

Die schrumpfende Kaufkraft der Kundschaft veranlaßte die Konzerne nicht, ihre Preise zu senken. Im Gegenteil: In trauter Einmütigkeit heben Ford, VW, General Motors und Fiat monatlich ihre Preise an. Den Absatzverlust kompenisieren die Konzerne mit der Produktion von Luxus-Limousinen und hielten so ihren Anteil am brasilianischen Bruttosozialprodukt von elf Prozent. Astrid Prange