High-Tech für den Müll

■ Schweizer Unternehmen will Müllverbrennung verbessern/ Kommunalverband Ruhr interessiert

Essen (taz) – Eine Schweizer Firma namens „Thermoselect“ will die Müllverbrennung revolutionieren. Rechtzeitig für die eben erst beginnende Diskussion um die neue Verordnung zur Müllverbrennung aus dem Umweltministerium hat sie gestern ein technisches Konzept vorgestellt, das die sonst anfallenden Mengen an Schadstoffen „drastisch reduzieren“ soll. Der Firmen-Cheftechniker rechnete Journalisten vor, daß seine Anlage nur neunzig Kilogramm Schwefeldioxyd pro 100.000 Tonnen verbrannten Hausmülls an die Umwelt abgeben werde. Nach EG-Norm wären 258.000 Kilogramm Schwefeldioxyd erlaubt.

Die traditionelle Müllverbrennung sei dagegen das „reinste Horrorszenario“. Die etablierte Konkurrenz findet die Sache freilich „unseriös“. So ist einem internen Schreiben der Steinmüller-Gruppe Gummersbach, die im Müllverbrennungsanlagenbau engagiert ist, nachzulesen.

Unbekannt sind insbesondere die Kapitalgeber der Schweizer Erfinder. Das Steinmüller-Papier vermutet „italienische, schweizerische und amerikanische Banken“ als Hauptgeldgeber. Das Projekt sei fünf Jahre lang unter strengster Geheimhaltung entwickelt worden. Immerhin: Der Kommunalverband Ruhr hat sich schon mal eine Option auf die Anlagen gesichert. Das sei, so hieß es gestern, keine Beteiligung, sondern eine Option auf den Preis, falls die eigene Abfallentsorgungsgesellschaft sich für den Kauf der neuen Anlage entscheiden sollte. 155 Millionen Mark soll die Anlage bei einer Kapazität von 150.000 Jahrestonnen Müll kosten.

Eine Versuchsanlage läuft seit acht Monaten im italienischen Verbania, rund achtzig Kilometer nördlich von Mailand. Der unsortierte Müll wird zunächst mit Hilfe einer traditionellen Schrottpresse auf ein Zehntel seines Volumens verdichtet. Danach werden die Müllpakete unter Luftabschluß in einem Gaskanal bei 600 Grad Celsius verschwelt. Von da geht die verkohlte Masse in einen Hochtemperaturofen und wird bei 2.000 Grad verbrannt. Das Abgas wird gereinigt und stehe dann als „Energieträger“ zur Verfügung. Der könnte dringend gebraucht werden – von der energiefressenden Anlage selbst, wie Kritiker vermuten. Aus den verflüssigten Müllresten sollen danach unter hoher Temperatur die Metallanteile wiedergewonnen werden.

Salzsäure-, Blei- und Cadmiumemissionen jedoch wollen die Schweizer auf etwa den hundertsten Teil des nach EG-Norm Erlaubten reduzieren. Dioxin- und Furanverbindungen sollen erst gar nicht entstehen.

Walter Jakobs