Manipulationen bei AKW-Prüfungen

■ Prüfungen und Unterlagen in Brunsbüttel, Krümmel und Biblis sollen verfälscht worden sein

In den Kernkraftwerken Brunsbüttel, Krümmel und Biblis ist es nach Informationen des Nachrichtenmagazins Focus zu massiven Manipulationen bei der Überprüfung von Schweißnähten an Rohrleitungen gekommen. Dies berichtet das Magazin in seiner neuesten Ausgabe.

Das Blatt beruft sich auf die Angaben zweier ehemaliger Werkstoffprüfer, die als Mitarbeiter der inzwischen aufgelösten Hamburger Firma Aweco („Gesellschaft für zerstörungsfreie Materialprüfung“) in den achtziger Jahren die Anweisung gehabt hätten, „bei der Überprüfung von Schweißnähten nicht zu viele Fehler zu finden“. Außerdem seien auf Planungsunterlagen „Bezifferungen verändert“ sowie „Röntgenaufnahmen von schadhaften Schweißnähten beseitigt“ worden. Die Arbeiten hätten „im Akkord bei Nacht“ stattgefunden. Für die Arbeit seien viele Aweco-Mitarbeiter zudem wenig qualifiziert gewesen, da sie „in zwei- bis dreiwöchigen Kursen“ angelernt worden seien.

Der schleswig-holsteinische Energieminister Günther Jansen (SPD), der laut Focus gleichlautende Hinweise aus der Landes- FDP erhalten habe, habe die Kieler Staatsanwaltschaft eingeschaltet. In einem zweiseitigen Schreiben, bitte Jansen die Staatsanwälte, sich unverzüglich mit der Angelegenheit zu befassen.

Dazu sagte der stellvertretende Leiter der Kieler Staatsanwaltschaft auf Anfrage der dpa, „mir liegt eine derartige Anzeige nicht vor“. Die Kieler Behörde sei zudem nicht zuständig. Der Sprecher des Kieler Energieministeriums, Ralf Stegner, bestätigte dagegen der taz die Existenz dieses Schreibens. Jansen habe es am Donnerstag um 15 Uhr der Staatsanwaltschaft übermittelt, „unverzüglich“ nach dem er von den Manipulationen schriftlich Kenntnis erhielt. Der Betreiber von Brunsbüttel, die Hamburgischen Electricitätswerke (HEW): „Wir können zu diesen schweren Vorwürfen nichts sagen.“

Unterdessen hat der Streit um die Ursache der Risse im Rohrleitungssystem des AKW-Brunsbüttel zwischen dem Kiel und den HEW an Schärfe zugenommen. Das Kieler Ministerium erklärte gestern, es sei inzwischen sicher, daß zumindest der Rißbefund an einer Schweißnaht betriebsbedingt sei. Dagegen meinten die HEW, diese Behauptung „entbehrt jeder qualifizierten Grundlage“. Im Rohrleitungssystem des AKW waren nach Angaben Stegners bis Freitag morgen 127 Risse festgestellt worden.

Ralf Stegner betonte, erste gutachterliche Aussagen über die Ursachen seien jetzt durch einen dritten unabhängigen Gutachter bestätigt worden. Danach weise „die Schweißnaht 13. 3. B“ im Lagerdruckwassersystem des Atomkraftwerks Brunsbüttel ein „betriebsbedingtes Rißwachstum“ auf. Die HEW meinten dagegen, über die betroffene Schweißnaht lägen lediglich Röntgenaufnahmen aus den Jahren 1979 und 1993 vor. dpa/taz