Eine kräftige Rezession hat bereits begonnen

■ Deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit / Verlängerung und Neubewilligung von AB-Maßnahmen "nicht mehr möglich"

/ Verlängerung und Neubewilligung von AB-Maßnahmen »nicht mehr möglich«

Noch vor vier Wochen war das Hamburger Arbeitsamt außerordentlich optimistisch. „Am Horizont ist die Vollauslastung der Beschäftigten zu sehen“, meinte deren kommissarische Leiterin Renate Kneisner noch zu Beginn dieses Jahres. Sie wolle zwar nicht schwarzmalen, weil der Arbeitsmarkt sehr stimmungsabhängig sei, aber „wir stehen am Anfang einer kräftigen Rezession“, mußte Frau Kneisner nun gestern eingestehen.

Im Januar ist die Zahl der Arbeitslosen in Hamburg erstmals seit 1988 im Vorjahresvergleich um 1,8 Prozent auf 61551 wieder „kräftig angestiegen“. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Prozent auf 8,4 Prozent. Der Arbeitskräftebedarf der Wirtschaft ist seit Januar 1992 „besonders deutlich zurückgegangen“ und die Zahl der Kurzarbeiter um fast das Dreifache auf 11998 gestiegen. „Damit wurde eine Größenordnung erreicht, die es zuletzt Mitte der achtziger Jahre gab.“ Wenig überzeugend fügte Frau Kneisner hinzu, daß mit Kurzarbeit eine Wirtschaftsflaute überbrückt werden und zur Vollbeschäftigung führen könne.

Obwohl die Zunahme der Arbeitslosigkeit seit Dezember sowohl Männer und Frauen als auch Arbeiter und Angestellte betraf, gibt es im Vorjahresvergleich interessante Abweichungen. In diesem Zeitraum hat die Zahl der arbeitslosen Frauen mit 0,4 Prozent weniger zugenommen als die der Männer (2,8 Prozent). Eine scheinbar entgegengesetzte Entwicklung gibt es auch bei den Arbeitern und Angestellten. Die Zahl der arbeitslosen Arbeiter ist um 1,2 Prozent zurückgegangen, während sie bei den Angestellten um 6,7 Prozent anstieg. Daraus einen positiven Trend abzulesen wäre falsch. Tatsächlich haben sich die realen Arbeitslosenzahlen dieser vier Gruppen weiter angenähert. Von Arbeitslosigkeit sind heute inzwischen alle nahezu gleichermaßen betroffen.

Renate Kneisner befürchtet, daß die Arbeitslosigkeit in Hamburg bis zum Jahresende noch weiter ansteigen wird, nicht nur rezessionsbedingt. Große Sorgen bereitet ihr die Zukunft der 3084 ehemals Arbeitslosen, die gegenwärtig in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) beschäftigt sind. Aufgrund der Kürzungen im Etat der Bundesanstalt für Arbeit können an die ABM-Träger in Hamburg im laufenden Jahr nicht einmal 100 Millionen Mark ausgezahlt werden. „Diese Summe sichert einen jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsstand von rund 2400 ABM-Kräften“, so Kneisner. Im vergangenen Jahr waren es noch 135 Millionen.

Sie möchte wegen der steigenden Arbeitslosigkeit jedoch „den gegenwärtigen Stand halten“ und benötigt dafür weitere Finanzmittel in Höhe von rund 25 Millionen Mark. „Verlängerungen von laufenden AB-Maßnahmen und Neubewilligungen sind ohne diese Mittel nicht mehr möglich.“ Optimistisch, dieses Geld zu bekommen, ist Frau Kneisner hingegen nicht. Im März wird bei der Bundesanstalt über die Forderungen der Arbeitsämter entschieden, und dort brauen sich düstere Wolken zusammen. Norbert Müller