: Zwischen Rampen- und Rotlicht
■ Der parlamentarische Staatssekretär Bernd Neumann und der Wandel der Lichtquellen
Wäre Herr Neumann ein Sanitätsgefreiter, könnte man nach der bekannten Weise ein Loblied auf ihn anstimmen. Bernd Neumann ist indes Staatssekretär. Ein so hohes Amt macht interessant. Und deswegen interessieren alle Beleuchtungs-Spielarten, in denen er sich bewegt. Vom Rampenlicht bis zum Rotlicht sozusagen.
In der vergangenen Woche kramten ungezählte Bremer in ihren Schubladen, um ein Gerücht über Herrn Neumann zu verifizieren, das eher dem Rotlicht zuzuordnen ist. An Eides statt wollten Eingeweihte erklären, daß vor Zeiten der Herr Staatssekretär in einer Vegesacker Gaststätte verkehrte, in der die Damen in der Überzahl waren und von Berufs wegen Männern angenehme Stunden bereiteten.
Und weil mißgünstige Menschen dem Herrn Neumann die angenehmen Stunden neideten, legten sie sich mit einer Kamera vor dem fidelen Betrieb — so die Sage — auf die Lauer. Herr Neumann indes soll Wind vom Hinterhalt bekommen und den ungeordneten Rückzug beschlossen haben. Als er gerade flüchtend über den Zaun des Anwesens flankte, drückte ein Fotograf auf den Auslöser. Dieses Foto erschien in einem namhaften Magazin.
Das journalistische Pandämonium Bremens erklärte, sich genau an die Fotos zu erinnern. Es wurden sogar die Namen von Fotografen genannt und noch namhaftere Magazine, die über den ungeordneten Rückzug von Herrn Neumann berichteten. Nur: Der Schöpfer der erregenden Lichtbildnisse konnte trotz jahrelanger hartnäckiger Ermittlungen nicht in Erfahrung gebracht werden. Immer neue Namen kamen ins Spiel: „Ich weiß genau, der (Name ist der Redaktion bekannt) hat die Fotos an Konkret verkauft.“
Transpirierende Archivare gruben in Schubladen, bemühte Informanten gaben immer neue Telefonnummern von immer neuen Informanten durch. Verstorbene, ausgewanderte oder ruheständlerische Bescheidwisser wurden reaktiviert und verwiesen an andere Bescheidwisser. Schwüre, Eide, große Indianerehrenworte wurden geleistet. Aber die Fotos vom angeblichen Rückzug Neumanns aus dem Rotlicht-Milieu — die bleiben verschollen. Bis jetzt jedenfalls.
Aber, wie so vieles, hatte auch diese mühsame Recherche ihre positiven Seiten. Erinnerungen an Bernd Neumann wurden wach und wacher. Wenn man nur einen Bruchteil von dem glaubt, was auf der Suche nach den Neumann-Fotos an „Geschichten“ über den Herrn Staatssekretär zu hören war, dann muß Oskar Lafontaine gegen ihn etwa die Unschuld der elfjährigen Elisabeth Motschmann haben.
Aber: Eben nur Gerüchte. Verklärt und geläutert durch vergangene Jahre und das Charisma eines dynamischen Politikers, der die deutsche Standardkarriere vom Lehrer zum gutverdienenden Volksvertreter meisterte. Sollte seine Schleimspur wirklich durch ein Separee der Vegesacker Bar Leuchtturm führen? Wo sind die Beweise? Wo sind die Fotos? Diesen unseren einzigen Staatssekretär können wir nicht im Zwielicht unbeantworteter Fragen stehen lassen. Lutz Wetzel
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