Integration oder Getto?

■ Das erste Behindertenhotel in Heilshorn bei Bremen wird eröffnet

hierhin bitte

den Behindertenparkplatz.

Klön-Ecke und Bierstube, Speisesaal und Gruppenraum, und schließlich in jedem Zimmer eine Dusche und WC: Im Hotel „Das Weiße Haus“ in Heilshorn bei Bremen gehört rustikale Gemütlichkeit zum Standard. Noch vor wenigen Monaten war das Haus beliebtes Quartier für die Angehörigen amerikanischer Soldaten, die ihre Verwandten in der nahen US-Kaserne Garlstedt besuchten. Nach dem Abzug der Soldaten warten die Betreiber jetzt auf neue Gäste — „Das Weiße Haus“ soll „Deutschlands erstes Behinderten-Hotel“ werden.

Ein kleiner Bremer Verein mit dem zugkräftigen Namen „Sorgenfrei Leben“ hatte die Idee zu dem Projekt. „Wir bieten seit Jahren Freizeitangebote für Behinderte an“, erläutert Schriftführer Jürgen Krause die Vereinsziele. Bei Reisen mit Behinderten quer

durch Europa gab es jedoch immer wieder Probleme, passende Unterkünfte zu finden. „Dann eröffnen wir eben selbst ein Hotel“, beschloß der rund 300 Mitglieder zählende Verein.

Als jetzt die für März geplante Eröffnung bekannt wurde, lief im Bremer Vereinsbüro das Telefon heiß. Betreuer von Behindertengruppen aus der ganzen Bundesrepublik fragten nach freien Terminen. 20 Kilometer vor den Toren Bremens im niedersächsischen Heilshorn könnte das Haus bald zum Ausgangspunkt für Tagestouren an die Küste, Rundfahrten und Ausflüge werden. Wenn das Konzept aufgeht, sollen eines Tages auch Behinderte im Hotelbetrieb arbeiten, etwa als Koch, Buffetkraft, Hausmeister und im Büro.

Insgesamt stehen 70 Betten bereit, verteilt auf sechs Einzelzimmer, 20 Doppelzimmer und acht Appartements. Die Preise bewegen sich, nach Gruppengröße gestaffelt, zwischen 30 und 42 Mark. Im Angebot ist auch die Kurz- Zeit-Pflege bis zu maximal vier Wochen. Dabei könnten Krankenkassen und Sozialämter einen Teil der Kosten übernehmen.

Behindertengerecht ausgebaut ist allerdings noch nichts im „Weißen Haus“. Die ehrenamtlichen Vereinsmitglieder rechnen zunächst überwiegend mit geistig Behinderten als Gäste. Das Geld für einen auch rollstuhlgerechten Umbau muß erst noch verdient oder — so die Hoffnung — von Industrie und Wirtschaft gespendet werden. Kritiker des Hotels bemängeln jedoch, daß bei diesem Konzept Behinderte unter sich bleiben, anstatt am „normalen“ gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Indirekt werde damit sogar das „Flensburger Skandalurteil“ unterstützt: Dabei hatte ein nichtbehinderter Urlauber Schadenersatz verlangt, weil in seinem Hotel auch Behinderte wohnten.

Also Urlaub im Getto anstatt Integration? Jürgen Krause räumt ein, daß die Eröffnung des Behinderten-Hotels auch ein „kleines Stück Kapitulation vor der Wirklichkeit“ bedeutet: „Wir waren die sonst üblichen Buchungsprobleme leid.“ Integration sei dennoch Ziel des Konzeptes: „Es können ja auch Nichtbehinderte buchen, wenn Zimmer frei sind.“ Geplant sind später auch „gemischte“ Veranstaltungen wie Disco- oder Karnevalsfeten. Ob die Integration funktioniert und auch Nichtbehinderte mit den Behinderten unter einem Hoteldach wohnen wollen, wird sich erst noch zeigen. Hans-Christian Wöste/dpa