Einfach nur reingezogen

■ Die Techniker der Theatermanufaktur klagen gegen ihre alten Arbeitgeber und die neue Leitung des Hauses

Am vergangenen Mittwoch war die Kunde rund: der neue künstlerische Leiter für das Theater am Halleschen Ufer heißt Hartmut Henne. Aus über fünfzig Bewerbern ist der langjährige Chefdramaturg und Verwaltungsdirektor an verschiedenen Frankfurter Theaterhäusern von einer Kommission ausgewählt worden, um der in Sachen Ruhm und Erfolg stark heruntergekommenen Spielstätte gemeinsam mit der Kultur- und Veranstaltungs-GmbH des Hauses Podewil zu neuem Profil zu verhelfen.

Eigentlich sollte die neue künstlerische Leitung bereits zum vergangenen Oktober bestimmt sein. Denn damit vertröstete vor einem halben Jahr der Kultursenat die sechs fest angestellten Techniker der Theatermanufaktur, die zum großen Teil sechs bis sieben Jahre dort beschäftigt waren und deren Vertrag zum 31.12.92 von der Theatermanufaktur gekündigt wurde: die neue Leitung habe über die Übernahme der Angestellten zu entscheiden, der Senat sei dafür nicht zuständig.

Also wandte sich der Betriebsrat der Theatermanufaktur an den Geschäftsführer der Kultur- und Veranstaltungs-GmbH, Herrn Faustmann. Die GmbH aber war zu dieser Zeit noch nicht offiziell für den Verwaltungsapparat ernannt und konnte schon gar keine personellen Entscheidungen treffen. Als die Ernennung dann endlich verbrieft und versiegelt war, ließ Herr Faustmann den Betriebsräten Max Schneider und Mathew Rose ausrichten, er könne in ihrem Fall nichts entscheiden – sie mögen sich doch bitte an den neuen künstlerischen Leiter wenden.

Aber den gab's ja immer noch nicht, und inzwischen rückte der Termin der Kündigung näher. Die Techniker starteten eine Rundumaktion, sprachen erneut mit Frau Esser, im Kultursenat zuständig für Freie Theatergruppen, die auch nichts Neues zu berichten wußte, und schrieben einen Aufruf an alle Parteien. Immerhin Dr. Biewald von der CDU konnte dazu bewegt werden, bei Roloff-Momin nachzuhaken – wenn auch erfolglos –, denn entscheiden, könne schließlich nur der neue Leiter.

Dabei geht das Thema langfristig alle der Angesprochenen und Angeschriebenen etwas an, denn die Kündigungsschutzklage der Techniker vor dem Berliner Arbeitsgericht gegen die Theatermanufaktur und die neue Leitung des Hauses läuft jetzt. Und sollten sie ihre Prozesse gewinnen, und davon gehen die Techniker fest aus, muß ihr Gehalt rückwirkend ab 1.1. 93 wieder gezahlt werden. Da bei einigen der Prozeßtermin erst im Juni anberaumt ist, kann man sich ausrechnen, was für eine Summe dabei zusammenkommt. Und sollten die Verfahren in die zweite Instanz gehen, könnten sie sich schlimmstenfalls bis Ende des Jahres hinziehen. Gezahlt werden müßte das Ganze dann, direkt oder indirekt, aus dem Kulturtopf.

Bei einem Telefonat mit Herrn Faustmann erklärte der taz schlicht, er habe die Techniker weder eingestellt noch rausgeschmissen, er sei da einfach „reingezogen“ worden. Außerdem lägen ihm keine Verträge der Theatermanufaktur mit den Technikern vor (es gab nur mündliche, Anm. d. Aut.), und die Theatermanufaktur sei schließlich ein privates Theater gewesen und kein staatliches, wo man alle Angestellten hätte übernehmen müssen. Die Kultur- und Veranstaltungs-GmbH überlegt sich derzeit, ob und wie sie mit weniger festen und mehr freien Technikern auskommen könnte, da das „auf Dauer billiger“ sei. Warum aber will die GmbH da nicht als erstes auf die Leute zurückgegreifen, die sich in- und auswendig in diesem Haus auskennen? Er habe seine eigenen Leute, erklärt Faustmann, zumindest für die Veranstaltungen, die jetzt schon im Theater am Halleschen Ufer laufen. Und wie es mit neuer Leitung dann weitergehe, das müsse – der neue Leiter entscheiden.

Die Techniker sind trotzdem optimistisch. Sie haben sich bei ihren Anwälten kundig gemacht, die Rechtslage sei eindeutig: bei einem innerbetrieblichen Leitungswechsel müssen alle Angestellten übernommen werden, sofern der Betrieb nicht plötzlich etwas ganz anderes herstellt oder verarbeiten läßt – und dabei ist es ganz egal, ob die Firma privat oder staatlich ist. Auch die mündlichen Verträge sind für die Techniker überhaupt kein Thema, schließlich wurden Sozialabgaben geleistet und Steuern gezahlt. Und mit Prozessen haben sie ihre Erfahrungen gemacht: sechs- oder siebenmal sollte manchem von ihnen schon zu Theatermanufakturzeiten gekündigt werden. Aus finanziellen Gründen. Die Prozesse haben die Techniker allesamt gewonnen, und das hat die Manufaktur insgesamt schlappe 200.000 DM „Nebenkosten“ eingebracht. Das sollte auch den neuen Machern zu denken geben. Aber sicher, in letzter Instanz entscheiden kann das nur – nein, diesmal nicht der neue künstlerische Leiter, sondern der Richter. Anja Poschen