Marlene, Ü/F inclusive

■ Der Musical-Zar Friedrich Kurz produziert am Berliner Kurfürstendamm die Marlene-Dietrich-Show „Sag' mir, wo die Blumen sind“

„Also, ich bin der Peter Kreuder, der Gary Cooper und...ach ja, der Emil Jannings wohl auch“, nuschelt der junge gutaussehende Mann ins bereitgestellte Mikrofon. Sein Banknachbar zur Linken hält sich für John Wayne oder wahlweise Jean Gabin. Oder war er Josef von Sternberg und der Typ mit dem solargebräunten Teint Orson Welles?

Die Verwirrung ist groß in Berlin, im Theater am Kurfürstendamm, wo der Musical-Zar Friedrich Kurz am Donnerstag mittag sein Ensemble für den Unterhaltungs-Coup der Neunziger vorstellte: „Sag' mir, wo die Blumen sind“ heißt das Superstück über Marlene Dietrich, mit dem Kurz bis in das Jahr zweitausend die achthundert Plätze des alten Boulevard-Theaters füllen möchte. Für seine Verhältnisse ein Klacks, in Bochum (Starlight-Express) und Hamburg (Cats) waren die Säle fast doppelt so groß. Das „computergesteuerte Kartenreservierungssystem“ der START-Reisebüros vertickt tagtäglich vollautomatisch „Hamburg Ü/F, inclusive Cats“ oder „Bochum by Night“ im Super-Package, und auch für die Marlene-Revue hat Kurz bereits 80.000 Karten abgesetzt.

Was die Leute für ihr Geld (Logenkarte: 175 DM) im April dann sehen werden, ist zwei Tage nach (!) Probenbeginn noch immer nicht ganz klar. Es soll um das Leben der Dietrich gehen, also „stark inhaltlich“ sein, und alle Größen des Showbiz, mit denen die Göttin zu tun hatte, werden sich ein Stelldichein geben. Am Skript wird noch gewerkelt, Martin Flossmann lieferte im letzten Jahr die Grundidee, Laurence Roman hat den Plot über Weihnachten geschrieben, und Rolf Hochhuth wird dieser Tage alles ins Deutsche übertragen. „Damit man sicher sein kann, daß das dann richtiges Deutsch ist“, wie Kurz in seiner unnachahmlichen Art erklärt.

Immerhin ist nun endlich die Hauptdarstellerin gefunden, Frederike von Stechow („Wie das kleine Dorf im Mecklenburgischen“) heißt die Glückliche, die auf einer der unzähligen offenen auditions von Regisseur Terry Hands entdeckt worden ist. Blutjung ist sie, sehr fotogen und noch ziemlich unerfahren. Die Marie in Faßbinders „Katzelmacher“ hat sie am Mainzer Staatstheater gegeben, dann kam schon die große Kurz-Chance, der Musical-Kick zum Starruhm.

Wie sie die Rolle der Marlene auffaßt, möchte eine Journalistin hinterlistigerweise von ihr wissen. Langes Schweigen, tiefes Nachdenken, dann die geniale Replik: „Da müßte ich jetzt erst mal wissen, was Sie unter „auffassen“ verstehen.“ Ein Raunen geht durch die Journalistenriege, die Waynes und Sternbergs auf der Bühne grinsen verstohlen, aber Kurz hat die Sache natürlich im Griff: „Sag mir, wo die Blumen sind“ sei ein politisches Stück und Marlene eine großartige Frau gewesen, erklärt er mit Pathos, „die hat diese schreckliche Krankheit Nationalsozialismus bekämpft – wie Willy Brandt!“ Wieder raunt es im Auditorium, dann noch eine gemeine Frage an den neuen Star: Wie sie, die sie der Marlene auch noch so verdammt ähnlich sieht, denn eigentlich dem Vergleich mit der Göttin standhalten will? „Ich halte dem nicht stand“, gibt die von Stechow jetzt endlich textsicher zurück, und sie schaut dabei so hübsch originalgetreu marlenisch aus, „und deshalb habe ich auch keine Angst.“ Das ist doch endlich mal eine richtig ehrliche Antwort, denn Hand aufs Herz: wie soll man auch etwas über eine Rolle sagen, die es noch gar nicht gibt, etwas proben, das noch nicht geschrieben ist, etwas spielen, das noch nicht entstanden ist. Nur verkaufen kann man so ein „Phantom der Oper“ offenbar sehr gut. Zumindest, wenn man Friedrich Kurz heißt. Klaudia Brunst