Solist Rabin fehlt das Tutti

■ Deportationskrise führt zu Kritik am Regierungsstil von Israels Premier

Tel Aviv (taz) – Im Zusammenhang mit der Deportation von rund vierhundert Palästinensern ist der israelische Ministerpräsident Jitzhak Rabin nun auch innenpolitisch zunehmender Kritik ausgesetzt. Nicht nur die Opposition meldet sich zu Wort, sondern zunehmend auch Politiker aus den eigenen Reihen. Eli Dayan, Fraktionsvorsitzender der Partei in der Knesset, will seine Abgeordneten nächste Woche zu einer dringenden Sitzung zusammenrufen, um die interne Krise in der Parteiführung beizulegen: „Sonst wird die Öffentlichkeit glauben, daß es in der Arbeitspartei einen Mechanismus der Selbstzerstörung gibt.“

Am Donnerstag fand in Tel Aviv eine stürmische Sitzung des Führungsbüros der Arbeitspartei statt, bei der Ministerpräsident Rabin gegen einen offenen Angriff des Abgeordneten Hagai Merom protestierte. Der hatte Rabin zuvor während einer von der Opposition initiierten Parlamentsdebatte über den amerikanisch-israelischen Kompromiß in der Deportiertenfrage beschuldigt, eine Art Terrorregime im Kabinett eingeführt zu haben.

Hintergrund für diesen Vorwurf ist eine anonym durchgeführte Umfrage des israelischen Fernsehens, bei der sich kürzlich herausgestellt hatte, daß über die Hälfte der Minister, die im Dezember für die Deportation stimmten, diesen Beschluß für verheerend halten. Politische Beobachter führen dieses Abstimmungsverhalten auf eine erhebliche Einschüchterung der Minister zurück, die bei einem Votum gegen die Deportation mit negativen Folgen für die eigene Person hätten rechnen müssen.

Minister sollten das Recht haben, bei Regierungssitzungen ihre Meinung zu sagen, auch wenn sie von den Ansichten des Ministerpräsidenten abweiche, wetterte Merom während der Parlamentsdebatte. Minister, die eine andere Meinung äußern, sollten nicht „wilden Angriffen“ ausgesetzt sein. „Ein solches Klima der Einschüchterung in der Regierung führt schließlich dazu, daß nach Abstimmungen dann geheime Umfragen abgehalten werden, bei denen die einzelnen Minister ihre wahren Gefühle und Ansichten vertraulich zum Ausdruck bringen.“ Auf Rabins Gegenangriff, jeder Minister könne in der Regierung seine Ansichten frei äußern, erzählte Merom, er habe mit einigen Kabinettsmitgliedern gesprochen, die alle darüber klagten, daß Kabinettssitzungen und Abstimmungen in einer Atmosphäre der Angst vor Rabin stattfänden. Rabin verlangte daraufhin, daß dem Skandal in der Partei ein Ende gesetzt werde. Minister, die keine kollektive Verantwortung für Regierungsbeschlüsse übernehmen wollten, könnten die Regierung ja verlassen.

Israelische Medien weisen darauf hin, daß Rabin-Kritiker Merom einfach nur das offen auszusprechen wagte, was viele andere Abgeordnete und eine Reihe von Ministern denken: daß Rabin ein Alleingänger ist, den es nicht kümmert, was andere in Partei und Regierung meinen oder raten. „Die Politiker sind ihm alle verdächtig“, heißt es im Kommentar der meistgelesenen israelischen Tageszeitung Jediot Ahronot, „er glaubt keinem, größere Entscheidungen trifft er allein. Die Minister mußten sich bei ihm daran gewöhnen, alles still, wenn auch nervös, hinzunehmen. Bei ihm gibt es kein ,Küchenkabinett‘“, heißt es in Anspielung auf die Regierungszeit der verstorbenen Ministerpräsidentin Golda Meir, „er ist ein Solist.“ Amos Wollin