■ Mit Mobilfunk auf Du und Du: Anruf aus der Tasche
Berlin (taz) – Ob auf dem Bahnhofsklo, in der Vorstandssitzung oder beim Golfen – Otto K. hat sein Mobiltelefon immer in der Jackentasche. Will er mal kurz bei Muttern oder im Büro anrufen, steckt er seine Kennkarte in das Gerät, tippt seine Geheimnummer ein und schon kann er die gewünschte Nummer anwählen. Egal ob er von Greifswald nach Freiburg oder bei der Pizzabude um die Ecke anruft: für jedes Gespräch in der Hauptgeschäftszeit zahlt er 1,39 Mark pro Minute an die Betreiberfirma Mannesmann. Hinzu kommen 78,20 Mark Betriebskosten im Monat. Die Anschlußgebühr von 78,20 und die Kosten für das Gerät von rund 2.000 Mark hat er schon beim Finanzamt angemeldet.
Mobile Telefone erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Harald Dörr, Sprecher des Postministeriums rechnet damit, daß in den nächsten Jahren 10 Millionen BewohnerInnen Deutschlands ihr Telefon mit sich herumschleppen. Dank der Digitaltechnik, die alle Laute vor der Übertragung in Nullen und Einsen übersetzt, sind die neuen Netze wesentlich kapazitätsstärker als das herkömmliche Autotelefonsystem; das C-Netz, mit dem die Sprache im Original über den Äther geschickt wird, kann nur etwa 100.000 Anschlüsse verkraften.
Um durch Konkurrenz das Geschäft zu beleben, erteilte der frischgebackene Postminister Wolfgang Bötsch am Donnerstag einem Konsortium unter Führung von Thyssen und Veba die Lizenz für ein neues privates Mobilfunknetz namens E1. Schon Ende 1995 soll das System in den telefonschwachen neuen Bundesländern flächendeckend aufgebaut sein; Ende 1997 sollen auch in Westdeutschland alle Funklöcher gestopft sein.
Während die von der Telekom und Mannesmann betriebenen Netze D1 und D2 auf einer Frequenz von 900 Megahertz senden, sollen die Geräte von E1 den 1,8 Gigahertzbereich benutzen. Der Nachteil für die neuen Konkurrenten: der höhere Frequenzbereich bedeutet zugleich niedrigere Reichweiten, so daß die einzelnen Stationen entschieden näher beieinanderliegen müssen als 30 bis 35 Kilometer. Dafür aber werden auch die Empfängergeräte leichter und handlicher. Und Otto K. könnte, wenn er sich zu einem Wechsel des Systems entschließt, sein Gerät gar in der Hosentasche verschwinden lassen. Annette Jensen
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