Die Zinsen sinken: zuallererst für Sparer

■ Die leichte Leitzinssenkung der Bundesbank wird nicht voll weitergegeben

Berlin/Frankfurt (taz/AP/dpa) — Wer vor lauter Begeisterung über die jüngsten Leitzinsänderungen der Bundesbank größere Anschaffungen auf Pump plant, sollte sich gedulden. Denn die Banken werden nach einer AP-Umfrage die Leitzinssenkung von Donnerstag wohl nur in geringem Maße an die KundInnen weitergeben. Allenfalls kurzfristige Darlehen wie Raten- oder Dispositionskredite werden sich in einigen Tagen um einen Viertel- oder halben Prozentpunkt ermäßigen. Ansonsten werde man den Markt beobachten, kündigte Siegfried Gutermann von der Deutschen Bank an.

Prompt reagierten die Geldinstitute bei den am Diskont- und Lombardsatz hängenden kurzfristigen Firmendarlehen, deren Konditionen gestern sofort um 0,25 oder 0,5 Prozent zurückgenommen wurden. Die Zurückhaltung bei den Verbraucherkrediten erklärte Horst Hennemann vom Sparkassen- und Giroverband mit dem geringen Anteil der kurzfristigen Verbindlichkeiten. „80 Prozent aller Kredite werden von der Entscheidung der Bundesbank gar nicht berührt.“ Bei den langfristigen Darlehen seien die Zinssätze in den vergangenen Monaten schon auf breiter Front zurückgegangen. So warten auch die Hypothekenbanken die weitere Entwicklung auf dem für sie bestimmenden Rentenmarkt erst einmal ab. In den vergangenen Wochen waren die Hypothekenzinsen bei zehnjähriger Bindung und 100 Prozent Auszahlung unter die Acht- Prozent-Marke auf Werte gerutscht, die sie vor der zinstreibenden deutschen Vereinigung hatten. Größere Sprünge nach unten sind daher nicht zu erwarten. Nur die Sparzinsen, wußten alle Befragten sofort und sicher, werden auf jeden Fall entsprechend sinken.

An den internationalen Aktien- und Devisenmärkten herrschte nach der deutschen Zinsentscheidung allgemein Hochstimmung. Die Leitzinsen der Bundesbank dienen praktisch als Orientierung für das Zinsniveau in Europa. Die deutschen, europäischen und japanischen Leitzinssenkungen bescherten der Wallstreet neue Rekorde. Börsenexperten in New York erklärten, die Bundesbank habe an ihrer harten Zinspolitik so lange wie möglich festgehalten, aber nun auf den enormen Druck hin endlich das Handtuch geworfen und der Wirtschaftsbelebung Vorrang eingeräumt.

Nach der Entscheidung der Bundesbank hat der französische Wirtschafts- und Finanzminister, Michel Sapin, weitere Zinssenkungen auch in Frankreich in Aussicht gestellt. Paris werde aus der „guten Entscheidung“ der Bundesbank Nutzen ziehen. Auch das spanische Wirtschaftsministerium begrüßte die Zinssenkung. Der Schritt helfe, das Europäische Währungssystem (EWS) zu stabilisieren.

In Deutschland wertete die Bundesregierung die Leitzinssenkung als „gutes Signal“. Lob bekamen die Währungshüter auch vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Vor dem Hintergrund der Wirtschaftsflaute sei die Zinssenkung „ein Signal“. Als Anstoß für die Konjunktur reicht das Signal nach Meinung der Industriellen allerdings nicht aus. Der Deutsche Industrie- und Handelstag (DIHT) fand die Entscheidung gar „stabilitätspolitisch unglücklich“. Die Bundesbank hätte nur Druck von der Bundesregierung genommen, die deshalb weniger unter dem Zwang stünde, die Staatshaushalte zu konsolidieren.