Vignetten-Theater

■ „Bild“-Zeitung sah Kanzler Kohl zur 400 Mark teuren Autobahngebühr nicken

Berlin (taz) – Hat der Kanzler genickt, ist er gar eingenickt oder hatte Verkehrsminister Günther Krause eine Vision? Vielleicht hat die Bild-Zeitung diesmal ja nicht gelogen. Die vermeintliche Zustimmung von Helmut Kohl zu einer 400 Mark teuren Autobahngebühr schreckte jedenfalls gestern die Autofetischistennation Deutschland auf und war Anlaß für zahlreiche Dementis.

Das Blatt hatte gemeldet, daß Verkehrsminister Krause am Donnerstag im CDU-Präsidium mal wieder seine Idee einer Vignette zum besten gab. „Ich denke an etwa eine Mark pro Auto und Tag“, soll er gesagt haben. „Der Kanzler nickte“, erfährt der verschreckte Leser. Regierungssprecher Dieter Vogel eilte sogleich vor die Mikrofone, um die Nation zu beruhigen: Kohl habe nicht zugestimmt, es sei unklar, wann sich das Kabinett mit dem heißen Thema beschäftigt. Auch die Sprecherin von Krause versuchte abzuwiegeln: Noch stehe nicht fest, wie teuer die Autobahngebühr sein werde. Aber natürlich seien die Ministerialen nicht untätig – sie arbeiteten „mit Hochdruck“ an dem Projekt, das schon am 1. Januar 1994 den Neujahrskater der Autofahrer verschlimmern soll.

Auch die SPD mochte zu dem brisanten Thema nicht schweigen. Ingrid Matthäus-Maier protestierte dagegen, „mit enormem bürokratischem Aufwand eine zweistellige Milliardensumme bei den Autofahrern abzukassieren“. Die Gebühr sei eine neue Steuer – eine neue Steuerlüge stünde ins Haus. Die Entscheidung über das Ob und Wie einer Autobahngebühr aber kann gar nicht in Bonn getroffen werden: ohne grünes Licht von den anderen EG-Verkehrsministern kann Krause nicht Gas geben. Und kurz vor Weihnachten hatten seine Amtskollegen aus Irland, Holland und Dänemark ihre Zustimmung zunächst verweigert. aje