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SanssouciNachschlag

■ "Tanzwinter" im Hebbel-Theater

Nach einem glanzvollen und teilweise atemberaubenden „Tanz im August“ hat das Hebbel-Theater nun zum Pendant in der kalten Jahreszeit, dem „Tanzwinter“, wieder vier Gruppen von internationalem Rang eingeladen. Nach „Douglas Dunn & Dancers“ aus New York und der römischen Gruppe „Paola Rampone“ (9./10.2.) kann man auf die Gruppe „10 é 10 danza“ aus Madrid (12.–14.2.) gespannt sein. Erst vor kurzem gegründet und noch gänzlich unbekannt, machten sie auf die Intendantin Nele Hertling in Paris solchen Eindruck, daß diese sie kurzentschlossen zum „Tanzwinter“ einlud. Abschluß und Höhepunkt der Reihe mit den „außerberlinischen“ Gästen wird die Uraufführung „Dialog mit G. B.“ von Susanne Linke sein. Das Stück ist dem 1992 verstorbenen Tänzer und Choreographen Gerhard Bohner gewidmet: „Ein eigenes Werk und zugleich vitaler Ausdruck des langen Abschieds von einem Freund“.

Mit drei Choreographien aus der Zeit von 1981–1992 stellte sich Douglas Dunn als erster Gast vor. In „Skid“ scheinen sich vier Tänzerinnen und drei Tänzer zu blubbernden Klängen durch eine Unterwasserwelt zu bewegen. In lustig verfremdeter Badebekleidung mit futuristisch anmutenden, knallroten Badehauben und durchsichtigen Plastikröckchen sind die Frauen gekleidet, konterkariert durch einen Mann in einem ebenso roten Plüschfellhöschen. Die Tänzer scheinen von einem geheimnisvollen Uhrwerk angetrieben, das, von einem unsichtbaren Schlüssel aufgezogen, plötzlich in Gang gesetzt wird und ebenso plötzlich wieder zum Stillstand kommt. Die Optik der leuchtenden und scharf konturierten Körper auf dunkler Bühne verweist in eine außerreale Sphäre. In der ersten Sequenz wird bereits alles sichtbar, was auch für die beiden anderen Choreographien „Rubble Dance“ und „Landing“ von Bedeutung ist. Wie ein Clown wuselt Douglas Dunn durch die von ihm kreierten Tänze, Kommentator seiner eigenen Choreographien: Jede Bewegung gerät ihm zum erstaunten Versuch über deren Möglichkeit und – oft frühzeitig abgebrochen – genauso über deren Unmöglichkeit. Abläufe aus dem gängigen Tanzrepertoire werden durchgespielt, doch scheinen die Gesetze der Schwerkraft verändert und verfremdet, so daß sich die Frage nach dem Woher und Wohin kinetischer Dynamik aufdrängt.

Zwei Tänzerinnen stützen Douglas Dunn und führen seinen Körper der Bewegung zu, wobei dieser, zerrissen zwischen anonymer Mechanik und individuellem Ausdruck, immer wieder entgleitet und auf den Boden fällt. Die Trennung von Körper und Gesicht führt zu kurzen Ordnungen, die schon im nächsten Moment wieder auseinanderbrechen, um sich in neuen Formationen zu sammeln. Eine Fremdheit dem eigenen Körper gegenüber verlieren die Tänzer nie, der Ausführung haftet etwas von Vorläufigkeit an – ein Test für den Moment des Zusammentreffens oder der Verbindung in der Entkörperlichung, in der sich Körper und Geist aufheben – danach scheint Douglas Dunn zu suchen. Michaela Schlagenwerth

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