ICE sorgt für „Mauer“-Fahrpläne

■ Für die Eisenbahn sind Ost- und Westberlin ab 1994 erneut getrennt/ Schwere Behinderungen für S-Bahn-Verkehr

Berlin. Wenn am 23. Mai um 5.45 Uhr zum ersten Mal das Flaggschiff der Deutschen Bundesbahn (DB) in den Bahnhof Zoo hereinrollt, sind die Bauarbeiten für den Intercity-Express (ICE) noch lange nicht beendet. Im Gegenteil – sie gehen erst richtig los. Ab 1994 tritt für Berlin ein Zustand ein, der vor dem Zweiten Weltkrieg normal gewesen sei, heißt es dazu lapidar in einer Mitteilung der Deutschen Reichsbahn (DR), die der taz vorliegt.

Denn damit 1997 der ICE – wie geplant – den Hauptbahnhof anfahren kann, wird zwei Jahre lang keine Eisenbahn mehr zwischen Zoo (West) und Hauptbahnhof (Ost) verkehren. Die Fernbahnstrecke muß vollständig erneuert und elektrifiziert werden. Von der Sperrung sind täglich Verbindungen zu mehr als 50 deutschen Städten betroffen, die – wie vor dem Mauerfall – dann nur noch von Zoo oder Hauptbahnhof angeboten werden können. Dazu zählen Städte wie München, Bonn, Hannover, Hamburg und Kiel. Wenn Ostberliner nach Frankfurt/Main oder Westberliner nach Frankfurt/ Oder wollen, müssen sie erst mit der S-Bahn in den anderen Teil der Stadt fahren, erläuterte Werner Kunis von der „Projektleitung Schnellbahnverbindung Hannover-Berlin“ der taz.

Wie bereits auf der Strecke zwischen Zoo und Wannsee müssen auch zwischen Hauptbahnhof und Zoo das Gleisbett betoniert, die Gleise ausgetauscht und die Strecken elektrifiziert werden. Während dieser zweijährigen Bauzeit soll wenigstens die S-Bahn weiterfahren – doch für ihre Fahrgäste wird es zu einschneidenden Behinderungen kommen. Denn auch die S-Bahn-Trasse wird instandgesetzt, und dann muß die S-Bahn auf den Ferngleisen pendeln. Doch Stationen wie etwa Tiergarten, Bellevue oder Jannowitzbrücke haben auf der Fernbahn-Seite keine Bahnsteige.

Wie Arthur Franz, Chef der Projektleitung, gegenüber der taz berichtete, sehe die Senatsbauverwaltung gemeinsam mit der Reichsbahn zwar den Bau provisorischer Bahnsteige vor, aber aus technischen Gründen könne nur ein Gleis bedient werden. Wer von der Friedrichstraße die Station Bellevue erreichen wolle, dem bliebe nichts anderes übrig, als bis zum Zoo zu fahren, dort umzusteigen, zurückzupendeln, um dann an dem gewünschten Bahnhof auszusteigen. Jannowitzbrücke falle als S-Bahn-Station vermutlich vollständig weg, weil dort die Errichtung eines Ersatzbahnsteiges zu teuer sei, hieß es bei der Reichsbahn. Welche Auswirkungen der Ausbau des Lehrter Stadtbahnhofs zum zentralen Umsteigebahnhof der Eisenbahn auf den S-Bahn- Verkehr haben werde, konnte Franz nicht abschätzen. Dafür gebe es wiederum eine Projektleitung Zentraler Bereich. Bevor der erste ICE im Mai in Berlin ankommt, wird es aber noch einmal auf der Strecke zwischen Zoologischer Garten und Wannsee zu massiven Behinderungen kommen. Wegen Kabelarbeiten wird ein Teil der S-Bahn-Trasse zwischen 20. und 26. Februar total gesperrt. Dirk Wildt