Debatte: "Dem Vernichtungsfeldzug Einhalt gebieten"
■ Sabine Boehlich (GAL) über den Streit um eine militärische Intervention in Ex-Jugoslawien
DEBATTE
»Dem Vernichtungsfeldzug Einhalt gebieten«
Sabine Boehlich (GAL) über den Streit um eine militärische Intervention in Ex-Jugoslawien
Abschied vom Grundsatz der Gewaltfreiheit oder notwendiges Zeichen gegen die brutalen Menschenrechtsverletzungen durch die Serben? Die von der GAL-Mitgliederversammlung am 11. Januar beschlossene Forderung nach einem Stopp des Waffenembargos gegen Bosnien-Herzegowina und einem militärischen Einsatz von Uno-Truppen spaltet Hamburgs Grüne. Am kommenden Samstag (14 Uhr, Gymnasium St. Pauli) wird die Partei erneut über ihre Haltung zum Krieg in Ex- Jugoslawien debattieren und abstimmen. Die taz hamburg hat vier GALier (schön ausgewogen, zwei pro, zwei contra) um ihre Meinung gebeten, die wir in den kommenden Tagen dokumentieren. Den Anfang macht Sabine Boehlich, Mitglied des Landesvorstands und eine der InitiatorInnen des Pro-Interventions-Antrags.
Warum fällt es uns so schwer, zur Verletzung der Menschenrechte und dem Völkermord in Bosnien- Herzegowina deutlich Stellung zu beziehen? Einige Verwirrungen haben wir schon überwunden. Inzwischen besteht kein Zweifel mehr daran, daß es sich um einen Angriffskrieg der Serben handelt und daß dieser Krieg — obwohl alle beteiligten Parteien sich zunehmend grausam verhalten — von den Serben als Feldzug zur Ausrottung und Vertreibung der bosnischen Muslime geführt wird.
Eigentlich müßten wir also nur darüber reden, wie wir diesem serbischen Vernichtungsfeldzug, der täglichen Ermordung nahezu wehrloser Menschen in den belagerten Städten, der Vertreibung der Menschen aus ihrer Heimat, den Massenvergewaltigungen Einhalt gebieten können. Stattdessen verheddern wir uns in einem Netz von Unterstellungen und Mythenbildung.
Wohl wissend, daß das Unsinn ist und nur der Diffamierung der Befürworter einer militärischen Intervention dient, wird behauptet, wir schieden uns in Pazifisten und Bellizisten. Nachträglich wird eine pazifistische Tradition der Grünen erfunden, die es nun wirklich nicht gegeben hat.
Allerdings war das grüne Engagement für Menschenrechte und Befreiungskämpfe offenbar weitgehend geknüpft an eine ideologische Übereinstimmung mit den Opfern. Über Petra Kellys Eintreten für Tibet wurde in Hamburgs GAL herzlich gelacht. Auch die Menschen in Bosnien-Herzegowina haben keine ideologische Identität.
Die Gegner einer militärischen Intervention rechnen den Befürwortern vor, wieviel mehr Tote durch diese Intervention erst entstünden. Eine solche Rechnung ist natürlich als Kriterium für
eine Entscheidung völlig untauglich, da weder der Ausgang des Szenarios „Kein militärisches Eingreifen“ noch der des Szenario „Militärisches Eingreifen“ bekannt ist.
Alle wären vermutlich froh, wenn es durch eine Intervention möglich wäre, den Krieg zu beenden. Die einzige Frage also, die diskutiert werden muß — in den Grünen, in der Bundesrepublik, in der UNO —, ist: Halten wir solch eine Intervention für möglich, und wie weit trauen wir sie dem Westen zu.
Wie weit überlassen wir es den Menschen in Bosnien-Herzegowina, sich selbst zu verteidigen, wozu sie das Recht haben? Wie weit können und wollen wir ihnen helfen?
Führen wir diese Diskussion bei den Grünen und sorgen wir damit dafür, daß sie endlich auch in der bundesdeutschen Öffentlichkeit geführt wird. Das ist unsere Aufgabe als Menschenrechtspartei.
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