Kulturratsprecher Jürgen Schmitz zum Kultursparen: Am Wendepunkt

Kulturratsprecher Jürgen Schmitz zum Kultursparen:

Am Wendepunkt

Die bremische Kulturszene hat es von Anfang an schwer gehabt mit dieser Ampel-Regierung und der grünen Kultursenatorin. Ohne Illusionen, aber mit einiger Anstrengung hat sie versucht, sich auf die neue Situation einzurichten, die da hieß: Den Balanceakt zu wagen zwischen Rückendeckung im Konflikt mit den Nicht-Kultur-Politikern einerseits und interessensgeleiteter, aber sachorientierter Kritik an der Amtsführung andererseits — ein schwieriges Spiel, an das sich beide Seiten immer noch nicht ganz gewöhnt haben. Und das unter erschwerten Bedingungen stattfand: Zuerst die ABM-Katastrophe, dann das Stammkräfte-Chaos.

Als man sich monatelang an diesen existenzgefährdeten Schlägen aufgerieben hatte, kam Herr Kröning und setzte dem Ganzen noch die Krone auf. Die Reaktion der potentiell Gebeutelten kommt zwar noch, aber es könnte das letzte Mal sein, daß sich die Szene zu solch einem Kraftakt aufrafft. Nicht nur, aber auch deswegen ist jetzt ein Wendepunkt erreicht, der hoffentlich nicht zum „point of no return“ wird; was sich jetzt (auch angesichts der ganzen Tendenzen in der gesamten Republik, siehe Solidarpakt) stellt ist nicht mehr und nicht weniger als die Frage danach, wie es diese Stadt und die in ihr Herrschenden mit der Kultur halten. Und zwar auch und gerade mit Kulturformen, deren Lebendigkeit, Flexibilität, Vielfalt und innovative Potenz viel zum (auch von Politikern gern gerühmten) liebenswerten Klima Bremens beigetragen haben. Oder können sie sich diese Stadt ohne Lagerhaus, Shakespeare Company, Kommunalkino, Ausländerkltur, ohne Schlachthof, DaCapo, FreiraumTheater, Frauenkultur, freie Künstlerszene usw. usw. vorstellen? Kann und darf man das Feld nur noch KPS und Kollegen überlassen, deren einziger Beweggrund für kulturelle Tätigkeiten die Akumulation von Kapital ist?

Diese Frage haben sicherlich in erster Linie jene zu beantworten, die mit den ökonomischen Sachzwängen argumentieren: die Jägers, Krönings und Wedemeiers. Aber sollten die keine maßgebliche Einsicht mehr zeigen, dann stellt sich auch eine andere Frage: Wozu brauchen wir noch ein grünes Feigenblättchen für eine Politik, deren primäre Leistung in der Zerschlagung sozialer und kultureller Errungenschaften besteht. Die Antwort sollte nicht erst 1995 erfolgen... P.S. Das Motto des diesjährigen Bremer Karnevals lautet: „Wir gehen fremd!“. Hoffentlich orakeln die hanseatischen Jecken da nicht schon über den massenhaften Exodus der KünstlerInnen aus der einstmals geliebten Stadt! Jürgen Schmitz (Sprecher der Sektion „Soziokultur“ im Bremer Kulturrat)