Bosnien, nah bei Bremen

■ Marieluise Beck zurück vom Zagreber Kongreß gegen Massenvergewaltigungen

Auch wir in Bremen dürfen uns nicht aus der Verantwortung stehlen: „Es gibt große Lager, in denen systematisch die Vernichtung eines Volkes betrieben wird, in unserer Zeit, wie schon einmal vor 50 Jahren, und dicht vor unserer Haustür. Auch durch massenhafte und geplante Vergewaltigungen von Frauen.“ Mit dieser Botschaft kehrte gestern Marieluise Beck, grüne Bürgerschafts-Abgeordnete, zurück aus Zagreb, wo sie an dem heiß umstrittenen Kongreß über Maßnahmen gegen Massen-Vergewaltigungen in Bosnien teilgenommen hatte. (vgl. taz-'Tagesthema' S.3, gestrige taz v. 8.2.)

Rund 600 Frauen aus 16 europäischen Ländern und den USA waren nach Zagreb gekommen: Politikerinnen, Künstlerinnen, feministische, autonome, religiöse Frauen. Um überhaupt ein gemeinsames Forum zu ermöglichen, hatte dieser erste Kongreß sich nicht als „Tribunal“ definiert, das Schuldige identifizieren und an den Pranger stellen wollte. Es galt, so der minimale und brüchige Konsens, die internationale Öffentlichkeit zu mobilisieren für die Erkenntnis: Msenhafte Mißhandlungen und Vergewaltigungen „können nicht abgetan werden als normale Kavaliersdelikte, wie sie im Krieg so üblich sind“, faßte Beck zusammen. „Sie sind Teil einer Kriegs-Strategie, um die Moslems in Kroatien zu demoralisieren und zu vertreiben. Die Frauen werden gefangen, verschleppt, gedemütigt, von den eigenen Familien isoliert.“

Eindeutig forderte der Kongreß das Selbstverständliche, aber Unerreichte: die massive Verstärkung humanitärer Hilfe in Form von Geld, Nahrung und medizinischer Ausstattung. Eine kroatische Krankenhaus-Leiterin hatte in Zagreb berichtet, wie sie sich an die Weltöffentlichkeit um Hilfe gewandt hatte angesichts der Massen von verletzten Menschen. Ihr Resümee: Von all den Spenden kam „nicht eine Aspirin-Tablette“ in ihrem Krankenhaus an.

In diesen Flüchtlingslagern kostet eine Abtreibung oder eine Geburt 80 Mark, einen Monatslohn. Betäubung dafür ist Luxus. Hungern ist Alltag. Anders als Bosnien ist Kroatien noch zugänglich, die schrecklichen Zustände in den Flüchtlings-Lagern könnten gemildert werden. „Nur eine Frage des finanziellen Engagements“, so Beck, „es ist unglaublich, daß das reiche Europa diese Hilfe nicht finanziert.“ Mit 700.000 Flüchtlingen könne Kroatien nicht allein fertig werden.

Demnächst wird es eine Liste mit 150 Namen geben: Frauen, die dringend und sofort, zum Teil mit Kindern, aus diesen Lagern heraus müssen. Marieluise Beck hofft auf eine gemeinsame Initiative der vier norddeutschen Länder, zumindest umgehend diese 150 Frauen aufzunehmen. Dazu will sie den Bremer Senat zu einem Engagement auffordern: „Es gab vor zwei Wochen hier eine sehr intensive Parlaments-Debatte, da wurde sogar geweint — aber jetzt muß auch etwas passieren.“

Auch bremische Familien, so Beck, könnten sich überlegen, „ein Dachzimmer oder einen Raum im Souterrain freizumachen“, um eine Frau bei sich aufzunehmen. Weil es in Bremen gut funktionierende bosnische und kroatische Zusammenhänge gebe, stehe Hilfe fürs Dolmetschen und für Ämtergänge zur Verfügung. Diese Frauen, so Beck, „brauchen einfach Ruhe, das ist das zentrale Wort, Ruhe und Schutz.“ Solange der Krieg dauert.

Die „lebendige Bremer Frauen-Öffentlichkeit“ will Beck besonders ansprechen. Es gehe jetzt darum, Geld zu sammeln und vielleicht Unterkunft zu gewähren. In den nächsten Tagen wird ein Spenden-Konto und ein Merkblatt mit Unterbringungs-Tips veröffentlicht. S.P.

Zur großen Frauen-Demonstration in Bonn am nächsten Samstag rufen die „Frauen in Schwarz“ auf: „Wir protestieren gegen die Vergewaltigungen von Frauen und Mädchen, insbesondere gegen den besonderen Einsatz von Vergewaltigungen als Kriegswaffe.“ Die Demonstrantinnen sollten in schwarzer Kleidung kommen. Treff: 11 Uhr, Bonner Münsterplatz.