Ungarn: Nicht kreditwürdig

Der Internationale Währungsfonds hält seine Kreditsperre für Ungarn aufrecht/ Das Staatsdefizit steigt weiter/ 12 Prozent Arbeitslose  ■ Aus Budapest Keno Verseck

Ungarn hat es nichts genützt, daß es sich durch einen pünktlichen Schuldendienst in internationalen Finanzkreisen und bei internationalen Finanzorganisationen den Ruf des osteuropäischen Musterlandes erwarb. Am Freitag entschied der Internationale Währungsfonds (IWF), daß das im März 1992 ausgesetzte Kreditprogramm für Ungarn vorerst noch nicht wieder aufgenommen wird. Die gestern aus Budapest wieder abgereiste IWF-Delegation will aber schon in der nächsten Woche neue Verhandlungen mit der Regierung aufnehmen.

Grund für die Entscheidung des IWF war das extrem hohe Haushaltsdefizit Ungarns, das Ende November letzten Jahres 170 Milliarden Forint erreicht hatte, nachdem für das ganze Jahr lediglich ein Minus von 69,8 Milliarden Forint eingeplant war. Die Nationalbank verhängte vorerst eine inoffizielle Nachrichtensperre. Finanzminister Mihály Kupa äußerte sich dennoch zuversichtlich über den Abschluß eines Abkommens in der nächsten Verhandlungsrunde. Insider argwöhnen, daß Kupa die Vorbehalte des IWF nicht unwillkommen sind, um Kritiker in der eigenen Regierung zu bremsen. Manchen geht der Sparkurs des Finanzministers zu weit.

Ungarn hatte im Februar 1991 mit dem IWF eine dreijährige Kreditvereinbarung über rund 1,5 Milliarden Dollar abgeschlossen. Als sich Anfang letzten Jahres herausstellte, daß die tatsächlichen Leistungen der Wirtschaft weit von dem abwichen, was die Regierung geplant hatte, sperrte der IWF die Kredite.

Schon zweimal, im September 1992 und Januar 1993, mußte Kupa sein langfristiges Programm zur Stabilisierung des Staatshaushaltes modifizieren. Das Haushaltsdefizit soll in diesem Jahr 185 Milliarden Forint erreichen, im nächsten 215 Milliarden und 1996 gar 222 Milliarden. Damit wird es nicht nur weit höher liegen als geplant, auch die von Kupa anfangs beabsichtigte Verringerung der Staatsschulden steht nicht in Aussicht.

Auf das Budget drückt zum einen Ungarns Schuldendienst, der in diesem Jahr etwa 1,1 Milliarden Dollar betragen soll und schon im letzten Jahr eine ähnliche Summe verschlungen hatte. Ungarns Brutto-Schuldenberg hat sich seitdem bei 20 Milliarden Dollar eingependelt, die Nettoschulden sanken von 14,8 Milliarden Dollar Ende 1991 auf 12,9 Milliarden Dollar im November 1992.

Die Gelder, die in den Schuldendienst gesteckt werden, fehlen wiederum zur Sanierung der Wirtschaft und zur Abfederung der sozialen Probleme im Lande. Besonders im letzten Jahr stieg die Arbeitslosigkeit rasant an, von der mittlerweile fast 700.000 Menschen, 12 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung, betroffen sind. Der Regierung schlugen so nicht eingeplante Ausgaben in Milliardenhöhe zu Buche. Andererseits stagnieren die Staatseinnahmen, da der Wirtschaftsaufschwung auch weiterhin auf sich warten läßt und zudem viele Unternehmen ihre Altschulden und -steuern beim Staat nicht bezahlen können.

Unabhängige Ökonomen in Ungarn kritisieren nicht nur, daß der IWF ausgerechnet vor den Wahlen Anfang nächsten Jahres eine unpopuläre Entscheidung traf und die Regierung damit zu ebensolchen Maßnahmen zwinge. Sie befürchten auch, daß die Entscheidung des IWF ein negatives Signal an ausländische Investoren und Banken sei, die sich in Zukunft bei Investitionen und Krediten für Ungarn noch mehr zurückhalten könnten.