Europäisches Tribunal zu Bosnien gefordert

■ Berliner Politikerinnen bewerten Zagreber Frauenkonferenz als Erfolg

Berlin (taz) – Ein „Erfolg“ sei die Frauenkonferenz in Zagreb allein schon deshalb gewesen, weil das Thema Massenvergewaltigungen ins internationale Bewußtsein gedrungen sei und Frauen aus verfeindeten Lagern miteinander geredet hätten. Nicht nur Lea Rosh und die anderen Frauen der Bürgerinitiative „Perspektive Berlin“, die das Treffen organisiert hatten, vertraten gestern diese Meinung, sondern auch die Berliner Parlamentsdelegation.

Aus Berlin war nicht nur die größte, sondern auch die hochrangigste Frauengruppe nach Zagreb gereist: Parlamentspräsidentin Hanna-Renate Laurien (CDU), Frauensenatorin Christine Bergmann (SPD), Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD), FDP-Chefin Carola von Braun sowie Irina Kukutz vom Bündnis 90. „Entstellend und empörend“ nannte es CDU-Politikerin Laurien, daß in der (Fernseh- )Berichterstattung zwar der Auszug der Kroatinnen und Bosnierinnen gezeigt wurde, als die einzige Serbin zu reden begann, nicht jedoch „ihr Wiedereinzug nach 15 Minuten“. Dieses Zusammentreffen von 600 Frauen aus 16 Nationen in der ersten internationalen Konferenz in Zagreb überhaupt sei vielleicht der Beginn einer „neuen Frauenbewegung“, so Senatorin Bergmann.

Justizsenatorin Limbach stellte zentrale Punkte einer vorläufigen Resolution heraus. Wegen der Sprachprobleme einiger des Englischen weniger kundigen Delegationen war diese in Zagreb noch nicht endgültig verabschiedet worden. Danach sollte endlich der schon lange geforderte „internationale Strafgerichtshof“ eingerichtet und zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Denn auch wenn Vergewaltigungen nach der Genfer Konvention zur Kategorie der Kriegsverbrechen zählen, fehlt es bisher an einer Strafinstanz. Da aber bereits seit Jahrzehnten erfolglos an ihrem Statut herumgewerkelt wird, solle „in der Art des Russell-Tribunals“ so schnell wie möglich ein ebenfalls zur Hälfte mit Frauen besetztes „europäisches Tribunal“ abgehalten werden, auf der die Verantwortlichen wenigstens moralisch abgeurteilt werden. Außerdem solle eine „Sonderberichterstatterin“ der UN-Menschenrechtskommission ins Kriegsgebiet entsandt und eine „Erfassungsstelle zur Dokumentation der Kriegsverbrechen und Vergewaltigungen“ errichtet werden. Weiterhin müsse für die „unbürokratische Aufnahme der vergewaltigten Frauen und ihrer Familien durch die europäischen Staaten“ gesorgt werden. In Berlin ist dies schon, zumindest auf dem Papier, der Fall: Nach einem Parlamentsbeschluß des Abgeordnetenhauses ist jeder im Kriegsgebiet vergewaltigten Frau Zuflucht zu gewähren.

Lea Rosh wies hier allerdings darauf hin, daß auch muslimische Männer „vergewaltigt und physisch zerstört“ würden. Ihnen sei von einem Mann berichtet worden, der mit zerrissenem After gezwungen worden sei, einem sterbenden Muslim die Hoden abzubeißen. „Wir wissen heute Bescheid“, spielte Frau Rosh auf die Ignoranz der internationalen Gemeinschaft gegenüber den ersten Berichten über die NS-Vernichtungslager an. „Natürlich können wir nicht in die Vergewaltigungslager einmarschieren und die Frauen befreien“, aber vielleicht werde doch noch eine Delegation international bekannter Frauen ins Kriegsgebiet gehen – die Idee werde derzeit noch diskutiert. Auf jeden Fall will ihre Bürgerinitiative weiter Spenden sammeln und Kleider, Medizin, Duschkabinen und Klos in die Flüchtlingslager Kroatiens bringen. Ute Scheub

Perspektive Berlin Tel.: 030-2163044. Spendenkontonummer 3071 701, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 100 205 00, „Vergewaltigte Frauen“