Ausländer sollen zu Inländern werden

■ Intellektuelle starten morgen eine Kampagne für die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Berlin (taz) – „Eine Million Stimmen für die doppelte Staatsbürgerschaft.“ Mit diesem Ziel wird morgen in Bonn eine Kampagne vorgestellt, die durch öffentlichen Druck eine Änderung des deutschen Staatsangehörigkeitsrechts durchsetzen will. Hier geborene Kinder von Ausländern sollen künftig ein Recht auf Einbürgerung und die doppelte Staatsangehörigkeit haben.

Die Initiative, die mit einer Gruppe prominenter Erstunterzeichner – darunter Götz George, Manfred Krug, Jürgen Habermas, Lea Rosh, Ignatz Bubis und Wolfgang Thierse – startet, will, sobald eine Million Unterschriften zusammengekommen sind, diese Rita Süssmuth übergeben, „um eine entsprechende Änderung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Staatsbürgerschaft zu erreichen“.

Die Initiatoren hoffen, mit dieser Kampagne auf die laufende Arbeit der Bonner Verfassungskommission Einfluß nehmen zu können. In einem Interview mit der taz sagte einer der Unterzeichner, der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse, die Debatte über eine andere Ausländerpolitik „muß gerade deshalb weitergeführt werden, weil in dem Asylkompromiß bestimmte Dinge nicht erreichbar waren.“ „Es wäre eine Selbstlähmung der SPD, der liberalen und linken Öffentlichkeit, wenn sie jetzt wie ein Kaninchen auf die Schlange auf den Asylkompromiß starrt und keinen Schritt weiter tut.“

Die Initiative könnte eine breite außerparlamentarische Unterstützung für einen Gesetzentwurf bewirken, den Ende letzter Woche die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen den Bundestagsfraktionen zustellte. Allerdings sieht die Initiative der FDP-Politikerin keine Verfassungsänderung vor, sondern die Verankerung der doppelten Staatsbürgerschaft durch eine Änderung des Gesetzes über die Staatsangehörigkeit. In ihrer Gesetzesvorlage greift sie drei Punkte auf, die auch in dem „Referendum“ gefordert werden. Vordringlich möchte Schmalz-Jacobsen das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz geändert sehen, daß immer noch in der Fassung von 1913 gültig ist. Statt wie jetzt nach der Abstammung soll in Deutschland künftig, wie in fast allen anderen EG-Ländern auch, jedes Kind, das hier geboren wird, die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben können.

Der heftigste Widerstand gegen eine solche Regelung kommt aus der CSU, allerdings beharren auch etliche Mitglieder der CDU-Fraktion auf dem „Blutrecht“. Der innenpolitische Sprecher der CDU, Johannes Gerster, verstieg sich gar zu der Bemerkung: „Geistige Null-Lösungen lösen keine Probleme.“ „Die Bundesregierung“, so Gerster, „hat mit ihren Ausländerbeauftragten wenig Glück. Frau Funcke redete immer mit Leidenschaft und Esprit gegen die Regierung, Frau Schmalz-Jacobsen tut dies ohne Sinn und Verstand.“

Eine Mehrheit könnte der Gesetzentwurf dagegen in der FDP finden. Einer der innenpolitischen Sprecher der Fraktion, Wolfgang Lüder, sagte zur taz, nach seiner Beobachtung gebe es in der FDP-Fraktion mindestens für die Einführung einer doppelten Staatsbürgerschaft eine Mehrheit. Selbst der Parteivorsitzende Graf Lambsdorff habe sich innerparteilich dafür engagiert.

Die Einführung einer doppelten Staatsangehörigkeit ist nach den Erfahrungen fast aller Ausländerbeauftragten in Bund und Ländern die Voraussetzung, damit mehr ImmigrantInnen sich um eine Einbürgerung bemühen. Solange die alte Staatsbürgerschaft erst abgelegt werden muß, gebe es bei den allermeisten zu hohe psychologische Hürden.

Noch vor Cornelia Schmalz-Jacobsen hatte die rechtspolitische Sprecherin der SPD, Herta Däubler-Gmelin, in der letzten Woche für ihre Partei einen Entwurf für ein Einwanderungsgesetz vorgelegt, mit dem die SPD ihre Versäumnisse aus der „Asyldebatte“ wettmachen wollte. Auch dieser Vorstoß wurde erwartungsgemäß von der CDU zunächst abgelehnt.

Wolfgang Thierse bleibt gleichwohl optimistisch: „Für ein einfaches Gesetz braucht man nicht die Union, oder man braucht sie nicht vollständig.“ JG

Tagesthema Seite 3