Verfassung bleibt bei Krause auf der Strecke

■ Auch CDU-Jurist hält Investitionsmaßnahmegesetz für verfassungswidrig

Bonn (taz) – Spätestens vor dem Bundesverfassungsgericht wird Verkehrsminister Günther Krause (CDU) mit seinen Plänen scheitern, Verkehrsprojekte in Ostdeutschland per Maßnahmegesetz durchzuboxen. Diese Prognose wagen die Berliner Verwaltungsrechtler Hartmut Gaßner, Klaus- Martin Groth und Wolfgang Siederer in einer Stellungnahme für den Verkehrsausschuß des Bundestages. Der Versuch, für die geplante ICE-Strecke Berlin–Hannover eine Trasse für die Südumfahrung Stendal per Gesetz und ohne förmliches Planungsverfahren festzulegen, sei schlicht „verfassungswidrig“.

Die vom Bündnis 90/ Grüne benannten Juristen sind nicht die einzigen, die auf einer heute in Bonn stattfindenden Anhörung schwere rechtliche Einwände gegen das Investitionsmaßnahmegesetz beisteuern werden. Während einige Juristen dem Gesetz trotz Bedenken das Prädikat „verfassungsgemäß“ verleihen, wirft auch der von der CDU geladene Berliner Jura- Professor Michael Ronellenfitsch dem Verkehrsminister eine „verfassungsrechtlich fragwürdige Vorgehensweise“ vor. Das Investitionsmaßnahmegesetz, so Ronellenfitsch in seiner schriftlichen Stellungnahme, berühre „verfassungsrechtliche Positionen, die nicht einmal im Verteidigungsfall aufgehoben werden dürften“.

Übereinstimmend warnen Gaßner, Groth und Siederer sowie Ronellenfitsch, das Grundrecht auf Rechtsschutz würde „eindeutig verletzt“. Da gegen ein Bundesgesetz nur der Gang zum Verfassungsgericht möglich sei, gebe es für Betroffene keine Möglichkeit, die Bahnplanung einer „inhaltlichen Kontrolle“ zu unterwerfen. Und auch die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Exekutive werde umgangen. Ronellenfitsch in seinem Statement: „Zur Verwaltung ist das Parlament ungeeignet.“ Der Verkehrsminister hatte diese Bedenken, die in der Rechtsliteratur schon länger erhoben werden, bislang ignoriert.

Die Südumfahrung von Stendal ist das erste von insgesamt 17 geplanten Maßnahmegesetzen. Krause will darin den Bundestagsabgeordneten das übertragen, was normalerweise die Verwaltung übernimmt: die Prüfung und Festlegung einer Detailplanung, die allein im Fall Stendal 800 Seiten umfaßt. Auf diese Weise, so die Hoffnung des Ministers, könne die Planung beschleunigt werden.

Für Klaus Dieter Feige, den verkehrspolitischen Sprecher vom Bündnis 90/ Grüne, ist die Debatte um die Südumfahrung Stendal die entscheidende „Kraftprobe“. Gegen eine beschleunigte Bahnplanung sei zwar im Prinzip nichts einzuwenden. Setze sich Krause hier aber durch, seien demnächst auch Maßnahmegesetze für hochumstrittene Autobahnprojekte zu erwarten. Die vom Bündnis 90/ Grüne durchgesetzte Anhörung soll dem Verkehrsminister deutlich machen, so Feige, „daß er keine Chance hat, damit durchzukommen“. Bleibt Krause bei seinem Kurs, wollen die Grünen selbst nach Karlsruhe ziehen. Ein von ihnen mitregiertes Land, etwa Hessen, werde dann gegen das Investitionsmaßnahmegesetz Verfassungsbeschwerde einlegen, kündigte Feige an. Hans-Martin Tillack