Das skrupellose Waffen-ABC eines alten Nazis

■ Anklage gegen die Chefs der Firma „Rhein-Bayern“ wegen Waffendeal mit dem Irak erhoben/ Auch nach UN-Embargo noch für Saddam geliefert

Augsburg/Kaufbeuren (taz) – Ein Jahr lang sitzen die „Rhein- Bayern“-Chefs schon in Haft, und es sieht so aus, als würden noch einige Jahre hinzukommen. Nach umfangreichen Ermittlungen der Augsburger Staatsanwaltschaft, in die auch Inspektoren der Vereinten Nationen einbezogen waren, wurde jetzt Anklage gegen den 68jährigen Firmenchef Anton Eyerle, den 66jährigen Walter Dittel und den 43jährigen Inder Subramaniam Venkataramanan erhoben. Wegen illegaler Waffengeschäfte mit dem Irak, also Verstößen gegen das Außenwirtschafts- und Kriegswaffenkontrollgesetz, müssen sich die drei voraussichtlich noch im ersten Halbjahr 1993 vor einer Augsburger Wirtschaftsstrafkammer verantworten.

Es geht um große Summen und üble Geschäfte. In der Zeit von 1987 bis 1990 soll Rhein-Bayern an Husseins Regime Rüstungsgüter im Wert von rund 30 Millionen Mark verhökert haben. Auf Schleichwegen über Zypern und Jugoslawien wurde das Material in den Irak geschafft und das auch noch nach Verhängung des UNO- Embargos vom 6.August 1990. Ins Rollen war die Sache vor einem Jahr gekommen. Am 14.Februar stürmten Kriminalpolizei, Staatsanwälte und Fahnder des Kölner Zollkriminalamtes das Firmengebäude der Kaufbeurer Rhein-Bayern Fahrzeugbau GmbH und das kleinere Tochterunternehmen Rhein-Bayern avionic Dittel GmbH in Landsberg.

Die Fahnder beschlagnahmten drei große Lkw mit Belastungsmaterial. „Es handelt sich um Material für Husseins Atomprogramm, darunter Zünder für die Scud-Raketen, aber auch Teile, die der Urananreicherung dienen“, erläutert die leitende Oberstaatsanwältin Wilma Resenscheck aus Augsburg. Doch nicht nur für das A- Waffen-Programm von Saddam Hussein, sondern auch für das B- und C-Waffenprogramm wurde im Allgäu kräftig geforscht und produziert. Bei den beschlagnahmten Materialien und Unterlagen fanden sich Hinweise darauf, daß Rhein-Bayern sogenannte Floating Bodies, also Raketengefechtsköpfe, die der chemischen Kriegsführung dienen, hergestellt und getestet hat. Auch fünf Sterilisationsöfen, die benötigt werden für die Füllung der Geschosse mit biologischen Kampfmitteln, sind in den Irak geschafft worden. Nachdem solche Öfen – sie wurden bereits 1987 geliefert – jedoch auch im Krankenhausbereich für zivile Zwecke eingesetzt werden können, muß in diesem Fall allerdings von einem Verstoß gegen das Außenwirtschafts- und nicht gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ausgegangen werden.

In Kaufbeuren will keiner der Stadtgewaltigen etwas gewußt haben. Kurz vor dem Ausscheiden aus seinem Amt zeigte sich sogar der seit über 20 Jahren amtierende Kaufbeurer Oberbürgermeister Rudolf Krause (früher SPD) überrascht: „Ich bin erschüttert. Sollten die Anschuldigungen zutreffen, wäre das eine verwerfliche Sache.“ Von den schlimmen Geschäften des Rhein-Bayern-Chefs Anton Eyerle und seiner Komplizen hatten die Kaufbeurer angeblich keine Ahnung. Doch schon ein Blick ins Archiv weckt Zweifel. Bereits am 14.Juli 1988 berichtete der Stern ausführlich über den Verdacht gegen Rhein-Bayern. Unter der Überschrift „Ich mache nur meine Geschäfte“ wird folgende Situation geschildert: „Im Besprechungszimmer der Fahrzeugfirma Rhein-Bayern hat Unternehmenschef Anton Eyerle, 64, für die Kunden aus dem Irak eine Überraschung vorbereitet. Aus einem alten Volksempfänger dröhnen Originalreden von Adolf Hitler. Für Eyerle, den ehemaligen Jagdflieger im Dritten Reich und NPD-Politiker im oberschwäbischen Kaufbeuren, findet der Kampf für das Vaterland in der Golfregion statt. Der irakische Diktator Saddam Hussein gilt ihm als Vorbild einer Soldaten-Generation, die bereit ist, bis zum Tod zu kämpfen. Zur militärischen Führungsspitze des arabischen Landes unterhält er beste Kontakte: Bei seinen regelmäßigen Geschäftsreisen nach Bagdad braucht Eyerle nicht das sonst übliche Visum vorzulegen.“

Dann berichtet das Blatt, wie später auch der Spiegel, ausführlich über die Lieferungen von Spezial-Aufbauten von Rhein-Bayern für die irakische Armee, die längst in Verdacht geraten seien, beileibe nicht nur für zivile Zwecke genutzt zu werden. Schließlich hatte die Gesellschaft für bedrohte Völker schon ein halbes Jahr zuvor den Darmstädter Fahndern Tips über die an den Irak gelieferten Chemie-Labors und ihre mögliche Verwendung im Kampfgebiet gegeben. In Kaufbeuren will niemand davon etwas gewußt haben.

Unsere Recherchen führen schließlich noch weiter zurück – ins Jahr 1982. Im Herbst findet im Pfarrsaal von St. Peter und Paul eine gutbesuchte Podiumsdiskussion statt. Mit dabei der Landtagskandidat der Grünen, der Diplom- Psychologe Dr. Wolfgang Miethge. Der Psychologe warnt vor den Machenschaften der Firma Rhein- Bayern: „Es besteht der dringende Verdacht, daß die Firma auch Kriegsgerät in den Irak und andere Krisengebiete liefert.“

Doch bei den verantwortlichen Stellen wird nicht eingeschritten. Sogar das Zollamt Kaufbeuren, vor der Haustüre von Rhein-Bayern, will nichts geahnt haben. Amtschef Adalbert Unterreitmeier verweist auf die Zollfahndung: „Wir sind gar nicht eingeschaltet gewesen.“ Vieles sei da schon im voraus genehmigt worden, man hätte ja keine Anhaltspunkte gehabt. Klaus Wittmann