Polen beugt sich deutschem Druck

■ Deutschland zwingt Polen die Aufnahme abgelehnter Flüchtlinge auf

Bonn (taz) – Im Streit um die Folgen des neuen deutschen Asylrechts ist Polen der Bundesrepublik ein großes Stück entgegengekommen. Nach der zweiten deutsch-polnischen Verhandlungsrunde über die Asylfrage sprach Staatssekretär Johannes Vöcking (CDU) vom Innenministerium gestern in Bonn von einem „wesentlichen Fortschritt“. Er verwies auf eine Protokollnotiz, auf die er sich mit dem polnischen Vize-Innenminister Jerzy Zimowski geeinigt habe. Danach erklärt sich Polen bereit, „nach Inkrafttreten“ des novellierten deutschen Asylrechts abgelehnte Asylbewerber, die über Polen eingereist waren, zurückzunehmen.

Bislang war diese Frage strittig gewesen. Deutschland hatte auf das Abkommen zwischen Polen und den westeuropäischen Schengen-Staaten vom 29. März 1991 verwiesen, wonach Polen zur „Rückübernahme“ illegal in das Schengen-Gebiet eingereister Ausländer verpflichtet sei. Polen beharrte dagegen darauf, abgelehnte Asylbewerber fielen nicht unter diese Pflicht.

Zimowski warnte gestern jedoch vor Optimismus. Warschau sei zwar bereit, mit der Bundesrepublik eine zweiseitige Vereinbarung abzuschließen. Auf dem Weg dazu seien aber noch viele Schwierigkeiten zu überwinden. Einer „der schwierigsten Punkte“ sei die Frage der sogenannten „Altfälle“. Es handelt sich um Asylbewerber, die ihren Antrag noch nach dem geltenden Asylrecht gestellt haben und sich zur Zeit im Anerkennungsverfahren befinden. Deutschland möchte diese Asylbewerber, soweit sie über Polen eingereist sind, nach ihrer Ablehnung nach Polen abschieben. Warschau lehnt ihre Aufnahme nach wie vor ab. Nach Vöckings Angaben handelt es sich um etwa 30.000 Flüchtlinge.

Zamowski verwies darauf, daß sein Land bisher nicht dafür gerüstet sei, Flüchtlinge in größerer Zahl aufzunehmen. Zur Zeit gebe es in Polen 500 Asylbewerber und nur ein einziges Flüchtlingsheim mit 200 Betten. Über das deutsche Angebot, Polen bei der Aufnahme von Flüchtlingen administrativ, technisch und finanziell zu unterstützen, sei noch nicht im einzelnen gesprochen worden. Bislang war neben finanziellen Hilfen in Millionenhöhe auch deutsche Unterstützung für eine Abschottung der polnischen Ostgrenze im Gespräch. Diese Fragen sollen von einer gemeinsamen Arbeitsgruppe geklärt werden. Die Gespräche sollen bereits in zwei Wochen in Warschau fortgesetzt werden. Nach einem gestern vereinbarten gemeinsamen Kommuniqué „träte“ die Vereinbarung in Kraft, „sobald das deutsche Asylrecht neu gefaßt ist“.

Unterdessen haben sich Regierungskoalition und SPD-Opposition offenbar darauf geeinigt, die Begleitgesetze zur Asylrechtsänderung erst am 4. März in den Bundestag einzubringen. Die Koalition kam damit Forderungen der SPD entgegen. Die Verhandlungsführer einigten sich außerdem darauf, auch Bulgarien, Rumänien, Polen, Ungarn sowie die Tschechische und die Skowakische Republik zu sogenannten sicheren Herkunftsländern zu erklären. Asylanträge von Flüchtlingen aus solchen Ländern sollen in einem stark verkürzten Verfahren bearbeitet werden. hmt

Tagesthema Seite 3