Debatte: Kultursparen?

■ Nicht nach dem Staat schreien / taz-Gespräch mit dem Präsidenten der Hochschule für Künste, Jürgen Waller

Debatte: Kultursparen?

Nicht nach dem Staat schreien / taz-Gespräch mit dem Präsidenten der Hochschule für Künste, Jürgen Waller

taz: Wie sehen Sie den Zustand der Kultur in Bremen, angesichts der Kürzungspläne?

Jürgen Waller: Daß wir in Bremen kein Geld mehr haben, ist 'ne Tatsache. Man sollte überlegen, ob man Bremen überhaupt noch als eigenständige Stadt behalten soll. Ich glaube, Bremen überschätzt sich selbst.

Andererseits sehe ich den Zustand der Kultur momentan als gar nicht so depressiv, wie es viele andere tun. Ich bin ganz froh, daß diese ganzen ABM-Geschichten mittlerweile übern Deister sind, weil arbeitslose Künstler gibt's nicht. Es gibt nur Künstler, denen nichts einfällt.

Es gibt Institutionen, die geschützt werden müssen, an deren Etat kann man nicht knabbern. Das sind die Museen, die großen Institutionen.

Heyme ist mit falschen Versprechungen hergeholt worden. Aber das ist SPD-Mafia, das hätte er wissen müssen. Die SPD hat sich jemand geholt von der SPD, und Heyme hat der SPD geglaubt. Herr Heyme muß sich aber auch überlegen, daß man auch mit wenig Geld Welttheater machen kann. Man muß dazu nur Phantasie haben, und die hat Herr Heyme leider nicht mehr. Die hat er verpufft.

Sie sagen, Sie seien froh, daß die ABM-Geschichte übern Deister ist. Es ist doch aber nicht so, daß die Qualität von Kunst daran gekoppelt ist, wie sie sich verkaufen läßt.

Nein, d'accord. Deshalb sage ich ja: Die Institutionen, die Avantgarde ausstellen, die müssen geschützt werden. Aber nicht der Künstler selbst. Der Künstler begibt sich auf ein Drahtseil, da kann er runterfallen, oder er bleibt oben. Dat is sein Risiko.

Diese soziale Künstlerhilfe müßte nur anders verteilt werden. Ich hab ja nie gesagt, daß ich das Geld nicht haben will. Bremen braucht einen Ankaufsetat für die Museen dieses Landes. Man müßte mit einer qualifizierten Jury durch die Ateliers gehen und kaufen, und zwar fürs Museum und nicht für den Keller.

Auch, wenn ein Künstler irgendwo eine Ausstellung hat, müßte er notfalls Zuschüsse für

den Transport oder einen Katalog kriegen können. Das sind für mich sinnvolle Maßnahmen, die es dem Künstler ermöglichen, sich nach vorne zu arbeiten.

Jetzt droht aber ein großes Initiativensterben. Es wird hier in dieser Stadt die Möglichkeiten, Kunst zu präsentieren, drastisch reduzieren.

Wo?

Es gibt eine ganze Reihe von Galerien, die gefördert werden.

Ein Galerist ist ein privates Un

hier der Mann

mit

wenig

Haaren

ternehmen, warum soll ein Galerist staatlich gefördert werden? Da bin ich dagegen. Aber: der Staat muß Kunst kaufen.

So sind doch die Realitäten nirgends. Ein Galerist vertritt einen Künstler umso lieber, wenn er sich gut verkaufen läßt.

Nein, der Galerist macht den Künstler verkäuflich, das ist seine Aufgabe. Von nix kommt nix. Ich kann doch nicht 'nen Beamten-Künstler züchten. Das möchten die BBKs gerne. Aber es ist nun mal so, die Tröge hängen sehr hoch.

Können Sie irgendeinem Künstler empfehlen, nach Bremen zu kommen?

Nein. Die Bildende Kunst, die Avantgarde, die ist durch Herrn Dr. Busch, Kunsthalle, 40 Jahre lang kaputt gemacht worden. Und der arme Thomas Deecke mit seinem Neuen Museum Weserburg hat daran jetzt zu knapsen, daß die Leute da nicht hinkommen. Das Gerhard Marcks Haus dagegen, das hat einen Zulauf, das ist auf der einen Seite modern, auf der anderen Seite kann man was erkennen.

Die Kunsthalle, der Kunstverein jammert sei Jahr und Tag, wir haben zuwenig Geld. Ehrlich gesagt, in der Blütezeit, als der van Gogh ganz hoch im Kurs stand, hab' ich gesagt, „verkauft euern van Gogh“. Die hätten 110 Mill. dafür gekriegt, davon hätten sie ihre Kunsthalle sanieren können, hätten den Rest Geld gut angelegt und einen Ankaufsetat gehabt, von dem andere Museen träumen. Die Leute verlassen sich alle viel zu sehr auf den Staat.

Zurück zum Sparen. Sehen Sie denn irgendein Einsparpotential?

Nein. Der einzige, der ja wirklich Geld hat, ist der Wirtschaftssenator, der hat aber auch sehr viel Kultur gefördert. Weil der Wirtschaftssenator weiß, daß Industrieansiedlung auch mit dem Image einer Stadt zu tun hat. Und das kommt in hohem Maße von der Kultur her.

Daran glaubt doch heute selbst in Frankfurt keiner mehr.

Wir haben in Bremen einen viel zu geringen Kulturetat. Bremen ist mit seinen 1,8 % Anteil am Gesamthaushalt bundesweit Schlußlicht. Wenn wir noch mehr einsparen, hängen wir noch weiter hinten. Aber ich kann nicht guten Gewissens sagen: „Knapst dem Ressort Soziales noch mehr ab und gebt es der Kunst.“ Es müssen alle bluten. Aber ich weiß in Bremen tatsächlich nicht, wo man noch sparen kann. Die haben doch alle sowieso schon kein Geld. Da kann man auch nicht mehr viel wegnehmen. Fragen: step Foto: T. V.