Berlin gegen Gebühren auf der Stadtautobahn

■ Krauses Autobahn-Vignette einigt Regierungspolitiker und Autolobby/ Diepgen fordert Regelung nach Pariser Vorbild

Berlin. Die vom Bundesverkehrsminister geplante Autobahn- Vignette hat in Berlin Regierungspolitiker und Autolobby vorerst zusammengeschweißt – in voneinander unabhängigen Erklärungen waren sich gestern der Regierende Bürgermeister, Senatoren, Parlamentarische Geschäftsführer, Fraktionschefs, Spediteure und der ADAC einig, daß auf Berlins 63,6 Kilometern Stadtautobahn keine Gebühr erhoben werden dürfe. Denn durch die zusätzlichen Kosten würde der Verkehr auf die Stadtstraßen gedrängt und dort den Verkehr lahmlegen, fürchten Berufspolitiker und Berufskraftfahrer.

Eberhard Diepgen (CDU), Regierender Bürgermeister, blickte gestern gar über den Berliner Tellerrand hinaus und forderte für Großstädte wie Berlin, Hamburg und München die „Pariser Regelung“. In „Maut-Ländern“ wie Frankreich, Italien, Spanien oder auch der Schweiz ist die Benutzung von Autobahnen innerhalb von größeren Städten gebührenfrei. Elmar Pieroth (CDU), Finanzsenator, verstieg sich sogar zu der gewagten These, daß die in Berlin blau beschilderten, ampelfreien Pisten gar keine Autobahnen im eigentlichen Sinne seien – mit ihrer Geschwindigkeitsbegrenzung auf Tempo 80 seien sie „nicht mit den großen Bundesautobahnen zu vergleichen“, so der erfahrene Autofahrer Pieroth.

In dem gestrigen Chor wollte auch Ditmar Staffelt, Fraktionsführer der SPD, nicht fehlen. Die Autobahnbenutzungsgebühr sei für ihn „reines Abkassierinstrument“ der Bundesregierung. Für die SPD kämen nur „fahrleistungsbezogene Abgaben“ in Frage – Staffelt meinte damit eine Erhöhung der Mineralölsteuer und Maut – eine aus dem Ausland bekannte Gebühr für das einmalige Befahren von Autobahnabschnitten. Volker Liepelt, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU- Fraktion, sprach von einem „Berliner Vignetten-Salat“. Nach bisherigen Plänen müßten die Autofahrer demnächst vier Aufkleber an ihren Windschutzscheiben anbringen – „eine Zumutung“.

Als einziger – und fernab von Berlin – ließ gestern Brandenburgs Verkehrsminister Jochen Wolf (SPD) ein gutes Haar an der Autobahn-Vignette. Sie sei eine „notwendige Krücke“ für die gerechtere Verteilung der Kosten zwischen Straßen- und Bahnverkehr. Auch aus ostdeutscher Sicht sei eine Gebühr in einer Höhe um 300 Mark vertretbar. Mancher werde sein Urlaubsziel per Bahn ansteuern.

Was gestern aber niemand kritisierte: das Bundesverkehrsministerium plant offenbar die zusätzliche Autobahngebühr faktisch nur für Autofahrer. Die Kosten für LKWs – möglicherweise bis zu 9.000 Mark – sollen soweit wie möglich von der Kraftfahrzeugsteuer abgezogen werden. Dies bestätigte gestern eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber der taz. Dirk Wildt

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