Karneval: Tünnes beschlagnahmt

Köln (taz) – Karneval, das belegen zwei aktuelle Vorfälle aus den rheinischen Epizentren der Fröhlichkeit, ist eine sehr ernste Angelegenheit. In Düren rufen empörte Jecken zum Putsch gegen ihren Prinzen auf, weil der Kondome unters Narrenvolk geworfen hat. Das sei, sagen sie, nichts als Aufruf zur Unzucht. Noch Übleres geschah jetzt in Köln. Bei der dortigen alternativen „Stunksitzung“ gehört ein hübsches Kreuz mit angehängtem Juniorherrn zur Bühnendekoration. Nur ist es nicht mit „INRI“ klassifiziert, sondern mit einem Pappschild, auf dem schlicht „Tünnes“ steht. „Religiöse Diffamierung“ befand ein Amtsrichter, denn hier werde „das zentrale Symbol des Christentums der Lächerlichkeit preisgegeben“. Und so geschah es, daß jetzt drei Polizeibeamte vor dem Kreuz aufkreuzten und das Schild abmontierten, weil es, so der Gerichtsbeschluß, „als Tatmittel der Einziehung unterliegt“. Der Staatsanwalt ermittelt wegen Gotteslästerung. Höchststrafe: drei Jahre. Die argumentative Überzeugungskraft hält sich für die Stunker in Grenzen. Erstens, sagen sie, sei Tünnes doch eine kölnhistorische und zudem höchst positive Figur, die das Christentum nur adeln könne. Zudem müsse man den Zusammenhang sehen: Im inkriminierten Sketch wirke eine Schäl-Tankstelle (Diffamierung der Mineralölindustrie?) mit, das ganze spiele als Parodie auf Casablanca mit Vikar Laszlo in Ricks Autobahnkirche („Was heißt schon unbefleckte Empfängnis?“ – „Daß nichts danebengegangen ist!“). „Wenn die Staatsanwaltschaft konsequent wäre“, sagt der Kabarettist Didi Jünemann, „müßten die alle Redner abtransportieren lassen.“ Die ganze Stunksitzung in der Asservatenkammer des Kölner Amtsgerichts: eine Vision von wahrhaft alternativem Charakter. -müll-